Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung in einem (Formular-) Mietvertrag, dass der Mieter nur mit unbestrittenen oder rechtskräf-tig festgestellten (Gegen-) Forderungen aufrechnen darf, ist wirksam und auch nicht dahingehend auszulegen, dass auch entscheidungsreife (Gegen-) Forderungen von der Beschränkung ausgenommen sind.
Die Entscheidungsreife der (Gegen-) Forderung kann aber dazu führen, dass die Berufung auf die Aufrechnungsbeschränkung im Einzelfall treuwidrig ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Mietforderung und die Aufrechnungsforderung in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.
Normenkette
BGB §§ 242, 307, 308 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen 11 O 266/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.11.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Essen - 11 O 266/14 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, über den vom LG zuerkannten Betrag hinaus weitere 8.400,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 2.015,00 EUR seit dem 06.02.2013 und seit dem 06.03.2013, aus 4.176,00 EUR seit dem 25.09.2014 sowie aus 194,01 EUR seit dem 10.10.2014 an den Kläger zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾.
Die Gerichtskostenkosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 32 % und die Beklagte zu 68 %. Die außergerichtlichen Kosten der Parteien in dem Berufungsverfahren werden dem Kläger zu 35 % und der Beklagten zu 65 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet und nur zum Teil unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten über den ihm bereits vom LG zuerkannten Anspruch hinaus Zahlung weiterer 8.400,01 EUR beanspruchen.
1. Dem Kläger steht zunächst gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der Mieten für Februar und März 2013 in Höhe von 4.030,00 EUR zu. Dieser Anspruch ist, anders als vom LG angenommen, nicht aufgrund der mit dem Mietkautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten erklärten Aufrechnung über 4.030,00 EUR nach § 389 BGB erloschen. Die Aufrechnung ist nach § 9 des Mietvertrages der Parteien nämlich bereits unzulässig, weil die Kautionsrückzahlungsforderung aufgrund des Bestreitens des Klägers, die Kaution überhaupt erhalten zu haben, nicht unstreitig und auch nicht rechtskräftig festgestellt ist.
a. § 9 des Mietvertrages der Parteien hat folgenden Inhalt.
"Der Mieter kann gegenüber der Miete oder dem Anspruch auf Zahlung der Betriebskosten mit einer Gegenforderung nur aufrechnen oder ein Minderungsrecht ausüben, wenn er dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete dem Vermieter schriftlich angekündigt hat. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts und die Aufrechnung mit anderen als Ersatzforderungen wegen Mängel der Mietsache (§ 536a BGB) ist ausgeschlossen, es sei denn, die Forderung ist unbestritten oder rechtskräftig festgestellt."
b. Danach ist eine Aufrechnung gegen die - unstreitigen - Mietforderungen des Klägers nicht zulässig, weil die Kautionsrückzahlungsforderung der Beklagten weder unstreitig noch rechtskräftig festgestellt ist.
aa. Zunächst ist § 9 des Mietvertrages wirksam, selbst wenn es sich bei dem Mietvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen des Klägers handeln sollte.
(1) Zwar wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass eine solche Klausel unwirksam sei, wenn sie nicht auch explizit entscheidungsreife Gegenforderungen von dem Verbot ausnehme, oder aber (zur Vermeidung der Unwirksamkeit) so auszulegen sei, dass sie auch entscheidungsreife Gegenforderungen dem Aufrechnungsverbot entziehe (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 309 Rn. 18; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearb. 2014, § 556b Rn. 25).
(2) Indes vermag der Senat diese Auffassung in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof nicht zu teilen. Der Bundesgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen die Formulierung, dass (nur) unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen von dem Aufrechnungsverbot ausgenommen sind, unbeanstandet gelassen und die Klauseln als wirksam erachtet (BGH, Urteile vom 17.02.1986 - II ZR 285/14 - Tz. 10, vom 10.01.1991 - III ZR 141/90 - Tz. 35 = BGHZ 115, 324 ff., vom 27.01.1993 - XII ZR 141/91 - Tz. 16 und vom 15.12.2010 - XII ZR 132/09 - Tz. 21; BGH NJW 2011, 514, Tz. 21; ebenso auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.07.2013 - I-10 U 114/12 -). Auch der Senat sieht keinen Anhaltspunkt dafür, die Wirksamkeit der Klausel in Zweifel zu ziehen. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus dem Umstand, dass nach der Klausel nicht auch entscheidungsreife Gegenforderungen von dem Aufrechnungsverbot ausgenommen sind. Denn aus § 308 Nr. 3 BGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber lediglich de...