Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbraucherschutz: "Energy & Vodka" als unzulässige Bezeichnung für ein Vodka-Mischgetränk

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 10.01.2012; Aktenzeichen 6 O 28/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.10.2014; Aktenzeichen I ZR 167/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.1.2012 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Paderborn abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs selbst oder durch Dritte ein Vodka-Mischgetränk, das zu 26,7 % aus Vodka und zu 73,3 % aus einem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk mit Farbstoff und erhöhtem Koffeingehalt besteht und einen Alkoholgehalt von 10 % Vol. aufweist, mit der Bezeichnung

"Energy & Vodka"

anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen, wenn dies in einer Ausstattung wie nachstehend wiedergegeben geschieht:

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Der Beklagten wird eine sechsmonatige Aufbrauchs- bzw. Umstellungsfrist ab Verkündung dieses Urteils gewährt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleitung i.H.v. 130.000 EUR abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

(Bild aus dem Tenor)

* (1)

(Bild aus dem Tenor) * (1)

 

Gründe

A. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen Mitgliedern die wichtigsten Verbände der Spirituosen-Industrie, u.a. der Bundesverband der Spirituosen-Industrie und -Importeure e.V. gehören. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher und wettbewerblicher Bestimmungen im Bereich der Spirituosen-Industrie.

Die Beklagte vertreibt alkoholfreie und alkoholische Getränke internationaler Marken. Hierzu zählt neben dem Produkt "Three Sixty Vodka" mit 37,5 % Vol. in Glasflaschen auch das Mischgetränk "Three Sixty" in Dosen. Dieses Mischgetränk ist in den Sorten "Bitter Lemon & Vodka" und "Cranberry & Vodka" sowie auch in der hier streitgegenständlichen Sorte "ENERGY & VODKA" erhältlich. Ausweislich der Beschreibung des Getränks "THREE SIXTY ENERGY & VODKA" auf der Umverpackung und auf der Internetpräsenz der Beklagten handelt es sich um ein Mischgetränk mit einem Alkoholgehalt von 10 % Vol., das zu 26,7 % aus "THREE SIXTY VODKA" und zu 73,3 % aus einem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk, nämlich dem Energy-Drink "effect", welcher ebenfalls durch die Beklagte vertrieben wird, besteht.

Der Kläger mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 21.2.2011 (Anlage K7 zur Klageschrift vom 12.4.2011) ab und forderte sie zur Abgabe einer dem Schreiben angefügten, vorformulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dies lehnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 18.3.2011 (Anlage K8 zur Klageschrift vom 12.4.2011) ab.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet.

Die Klage sei zulässig, insbesondere sei der Klageantrag bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 ZPO, nachdem der Kläger sein Begehren hinreichend klargestellt habe.

Die Klage sei jedoch nicht begründet.

Die beanstandeten Produktangaben des von der Beklagten vertriebenen Mixgetränkes "THREE SIXTY ENERGY & VODKA" würden keinen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 S. 2 HCVO darstellen.

Der verständige Durchschnittsverbraucher - und auf diesen stelle die Verordnung nach ihrem 16. (aktuell 15.) Erwägungsgrund ab - verstehe, was die Kammer aufgrund eigener Sachkunde beurteilen könne, die Produktangaben "ENERGY & VODKA" nicht als Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder nur mittelbar zum Ausdruck gebracht werde, dass das Produkt besondere positive Nährwerteigenschaften besitze.

Zwar schreibe die HCVO einem Lebensmittel den Besitz besonderer (positiver) Nährwerteigenschaften bei der Angabe, dass es "Energie" liefere bzw. nicht liefere bzw. Nährstoffe oder andere Substanzen enthalte bzw. nicht enthalte, zu.

Jedoch sei die Angabe Energie auf dem streitgegenständlichen Produkt und die Bezeichnung Energie i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 4a) HCVO nicht dasselbe. Die HCVO definiere den Begriff Energie mit "Brennwert". Der physiologische Brennwert bezeichne grob gesagt die Energiemenge, die das Lebensmittel beim Stoffwechsel dem Körper liefere. Er werde in der Nährwertkennzeichnung der EU mit der Angabe Kilojoule (kJ), veraltet auch in Kalorien (kcal) angegeben. Die Bezeichnung "Energy" auf dem streitgegenständlichen Produkt bezeichne demgegenüber den Anteil des Produktes, der aus dem Energy-Drink bestehe. Der Kläger nehme insoweit selbst auf die Produktwerbung der Bek...

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