Verfahrensgang

LG Detmold (Entscheidung vom 05.02.2009; Aktenzeichen 9 O 232/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05.02.2009 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 5.317,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des beklagten Landes wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Der Kläger, der sich zwischen August 2007 und Januar 2008 sowie zwischen Februar 2008 und Juli 2008 in der vor dem 01.01.1977 errichteten Justizvollzugsanstalt (im Weiteren: JVA) Detmold in Strafhaft befand, verlangt von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen Zahlung einer Entschädigung wegen seines Erachtens menschenunwürdiger gemeinschaftlicher Haftunterbringung für 156 Tage (1. Zeitraum) und 168 Tage (zweiter Zeitraum).

Der Kläger war innerhalb der von dem Entschädigungsbegehren umfassten streitgegenständlichen Zeiträume nach den in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen im Urteil des Landgerichts wie folgt gemeinschaftlich untergebracht:

Vom 10.08.2007 bis zum 12.08.2007 bewohnte der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen den Haftraum A 063, der eine Grundfläche von 14,08 qm hatte und dessen Toilettenbereich mittels einer Schamwand vom übrigen Haftraum separiert war. Vom 13.08.2007 bis zum 11.10.2007 bewohnte der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen den 9,06 qm großen Haftraum A 119, dessen Sanitärbereich gleichfalls über eine Schamwand verfügte. Vom 12.10.2007 bis zum 27.01.2008 war der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen im 9,06 qm großen Haftraum B 259 untergebracht, der über eine baulich vollständig abgetrennte Toilettenkabine nebst Aktivkohlefilteranlage verfügte. Vom 15.02.2008 bis zum 21.02.3008 bewohnte der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen wiederum den bis dahin unveränderten Haftraum A 063. Vom 22.02.2008 bis zum 31.07.2008 war der Kläger in 2-er-Belegung in verschiedenen baugleichen Hafträumen, die jeweils 9,06 qm groß waren und über eine Toilette mit Schamwand verfügten, untergebracht. Am 01.08.2008 wurde er in einen Einzelhaftraum verlegt.

Vom 19.09.2007 bis zum 21.09.2007, vom 09.10.2007 bis zum 17.10.2009 und vom 24.10.2007 bis zum 26.10.2007 befand sich der Kläger wegen Terminsüberstellungen bzw. wegen Aufenthalten im Justizvollzugskrankenhaus (JVK) Fröndenberg nicht in der JVA Detmold. Vom 09.01.2008 bis zum 15.01.2008 ging der Kläger werktäglich von 6.45 Uhr bis 15.45 Uhr außerhalb des Haftraumes einer Arbeitstätigkeit nach.

Am 21.11.2007 und am 17.02.2008 stellte der Kläger jeweils einen Antrag auf Einzelunterbringung an die Anstaltsleitung, woraufhin er in eine Warteliste aufgenommen wurde, nach der die Einzelhafträume vergeben wurden.

Förmliche Rechtsmittel, insbesondere Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG, hat der Kläger nicht eingelegt.

Erstinstanzlich haben die Parteien darüber gestritten, ob der Kläger weitere anstaltsinterne Verlegungsanträge gestellt hat und ob seine Unterbringung menschenunwürdig war, auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Landes beruhte und einen geldwerten Entschädigungsanspruch nach sich zieht. Zudem hat das beklagte Land erstinstanzlich hilfsweise die Aufrechnung mit ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Justizkostenforderungen in Höhe von 1.919,50 € erklärt.

Das Landgericht hat nach persönlicher Anhörung des Klägers und Vertretern des beklagten Landes im Kammertermin am 13.01.2009 das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.520,- € für insgesamt 180 Kalendertage verurteilt. Dabei ist das Landgericht von kalendertäglichen Entschädigungssätzen zwischen 10,- € und 20,- € ausgegangen, wobei es 10,- € für die Unterbringung des Klägers in Hafträumen mit weniger als 5 qm Grundfläche pro Gefangenem, aber baulich vollständig abgetrennter und separat entlüfteter Toilettenkabine und 20,- € bei zu kleinen Hafträumen ohne baulich vollständig abgetrennte Toilette in Ansatz gebracht hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, soweit dem Kläger und seinen Mitgefangenen während der gemeinschaftlichen Unterbringung nicht jeweils mindestens 5 qm Haftraumgrundfläche zur Verfügung gestanden habe und eine vollständig baulich abgetrennte Toilette nicht vorhanden gewesen sei, sei der Kläger menschenunwürdig untergebracht gewesen, was eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes darstelle. Indes greife der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 3 BGB zugunsten des Landes ein, soweit das Entschädigungsbegehren des Klägers über einen Zeitraum von 180 Tagen hinausgehe. Nach den Angaben des Vertreters des beklagten Landes im Kammertermin seien in der JVA Detmold Wartelisten für Einzelunterbringung geführt worden, deren Existenz jedem neuen Gefangenen bei Ankunft mitgeteilt worden und auf die prakti...

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