Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 10 O 54/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Mai 2020 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000 EUR, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
Die Beklagte stellt sogenannte Kurventreppenlifte her.
Diese Liftanlagen bestehen aus einem Stuhl mit darunterliegendem Antrieb. In Bezug auf Ausstattungs- und Designvarianten sind 1008 verschiedene Varianten des Kurventreppenliftes standardmäßig bestell- und lieferbar. Zur Grundausstattung gehört ein in Serie hergestellter elektrischer Drehsitz. Dessen Grundform ist unveränderbar. Jedoch kann zwischen verschiedenen Bezügen gewählt werden. Der patentierte Traktionsantrieb wird ebenfalls in Serie hergestellt. Die Fahrbahn besteht aus einem Zwei - Rohr - System. Die Fahrbahnbefestigung erfolgt über individuell angefertigte Stützen, welche auf die Stufen aufgestellt und dort oder an der Wand befestigt werden.
Der Zuschnitt auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden erfolgt über die Fahrbahnkrümmung. Der Fahrbahnverlauf wird wie ein "Maßanzug" an die Treppensituation des Kunden angepasst. Hierzu erfolgt mittels digitaler Photogrammetrie - Technik die Maßaufnahme der Treppe und anhand dieser Maße und der Körpermaße des Kunden die technische Klärung, ob vor Ort überhaupt genügend Platz für den Liftbetrieb vorhanden ist. Ist dies der Fall, ist - je nach Treppenhaus - noch ein rechts- oder linksseitiger Anschlag der Wand- oder Stützbefestigungen sowie der Neigungswinkel der Fahrbahn festzulegen. Die erhobenen Daten werden im Weiteren an die Konstruktions- und Fertigungsabteilung übermittelt. Die Fertigung der Fahrbahn erfolgt sodann anhand der erhobenen Maße aus geraden Rohren individuell in Maßarbeit. An diese werden die angepassten Stützen angeschweißt. Je nach Treppenhausgröße entstehen so meterlange Bauteile. Die anschließende Montageleistung besteht darin, die Bauteile zusammenzustecken und die Stützen auf den Stufen und/oder der Wand zu befestigen. Dies macht in finanzieller Hinsicht 4% der Gesamtleistung aus.
Die Beklagte informiert ihre Kunden im Zusammenhang mit außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über die Lieferung und Montage von Kurventreppenliften wie folgt (Anlage K3):
"Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts
Gemäß § 312g Abs. 2 BGB bestehen für verschiedene außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge kein Widerrufsrecht. Unter anderem gilt dies gemäß § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB für Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.
Der vorliegend abzuschließende Vertrag fällt unter diese Bestimmung, da der Lift individuell nach Ihren Bedürfnissen angefertigt und exakt an die baulichen Gegebenheiten vor Ort angepasst wird.
Somit können Sie ihre zum Vertragsschluss führende Willenserklärung nicht gemäß § 312g Abs. 1, 355 BGB widerrufen.
(...)
Die Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts habe ich zur Kenntnis genommen und bestelle hiermit unter Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die oben angebotene Liftlösung."
Der Kläger mahnte die Beklagte im Hinblick hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 01.08.2019 (Anlage K4) wegen der Beschwerde eines Verbrauchers ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte lehnte dies mit anwaltlichem Schreiben vom 06.08.2019 (Anlage K5) ab.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Unterlassung der beanstandeten Verhaltensweise verpflichtet. Sie könne sich nicht auf die Ausnahme zur Widerrufsbelehrung gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB berufen, da es sich bei den streitgegenständlichen Verträgen um Werkverträge handele.
Der Kläger hat beantragt,
I. es der Beklagten zu untersagen, Verbraucher, mit denen sie außerhalb von Geschäftsräumen Verträge über die Lieferung und Montage von Kurventreppenliften schließt, nicht über das gesetzliche Widerrufsrecht zu belehren, sondern stattdessen zu behaupten, ein Widerrufsrecht sei diesbezüglich ausgeschlossen, weil der vom Verbraucher bestellte Lift individuell nach den Bedürfnissen des Verbrauchers angefertigt und exakt an die baulichen Gegebenheiten vor Ort angepasst werde,
wie geschehen in den Vertragskonditionen Anlage K3.
II. der Beklagten für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer I. enthaltene Verbot ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR (ersatzweise Ordnungshaft ...