Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Für die Frage, ob der Schuh am Fuß als ein gefährliches Werkzeug i.S. des § 224 StGB anzusehen ist, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.

  • 2.

    Zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass gegen den Angeklagten ohne einen notwendigen Pflichtverteidiger verteidigt worden ist.

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Entscheidung vom 01.08.2007)

 

Tenor

  • 1.

    Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

  • 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Ent-

    scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

  • 3.

    Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts trat der unter Alkoholeinfluß stehende Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 11.11.2006 zweimal mit dem beschuhten Fuß gegen die Stirn seines am Boden liegenden Opfers. Dieses erlitt hierdurch eine Platzwunde, außerdem blutete seine Nase. Zuvor hatte der weitere - nichtrevidierende -Verurteilte X. den Geschädigten von hinten gegen den Nacken bzw. die Schulter geschlagen, wodurch dieser zu Boden gestürzt war.

Gegen das Urteil hat der Angeklagte zunächst Berufung eingelegt und dann - nach Urteilszustellung am 16.08.2007 - mit Schriftsatz vom 24.08.2007 erklärt, dass das Rechtsmittel als Revision geführt werden solle. Der Mitverurteilte hat die von ihm eingelegte Berufung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.08.2007, in dem die ausdrückliche Ermächtigung hierzu versichert wird, zurückgenommen.

Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückzuverweisen.

II.

Die (nach Berufungsrücknahme durch den Mitverurteilten, vgl. § 335 Abs. 3 StPO) stathafte und zulässige Revision hat teilweise Erfolg.

1.

Das angefochtene Urteil war im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und wie geschehen zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO), da die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts rechtlicher Überprüfung nicht Stand halten. Diese sind lückenhaft und widersprüchlich. Hierauf beruht das Urteil auch.

a)

In dem Urteil heißt es, dass davon auszugehen sein, dass die Angeklagten bei der Tat unter Alkoholeinfluss gestanden haben, aber kein Anlass bestehe, dies strafmildernd zu berücksichtigen, da das Alkoholproblem und die daraus resultierende Kriminalität dem Mitverurteilten X. in einer früheren Verurteilung bereits vor Augen geführt worden sei. Warum die frühere Verurteilung des X. Anlass geben sollte, bei dem Angeklagten von einer möglichen Strafmilderung nach § 21 StGB abzusehen, bleibt offen.

Unschädlich ist es in diesem Zusammenhang, dass das Amtsgericht die Alkoholisierung des Angeklagten nicht auch im Hinblick auf eine mögliche Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB erörert, denn dafür bestand nach dem während der Tat und dem Vortatgeschehen gezeigten Leistungsverhalten des Angeklagten kein Anlass. Soweit die Revision auf eine weitergehende Alkoholisierung hinaus will, ist ihr Vorbringen zum Teil urteilsfremd.

b)

Widersprüchlich ist es auch, wenn das Amtsgericht einerseits eine gemeinschaftliche Begehung der Körpverletzung verneint, andererseits aber (auch) dem Angeklagten die Schmerzen des Opfers im Bereich Schulter/Nacken, die offensichtlich vom Schlag des Mitverurteilten stammen, straferschwerend zurechnet.

c)

Schließlich begegnet es auch Bedenken, wenn straferschwerend berücksichtigt wird, dass es sich um einen "gemeinen" Überfall gehandelt habe, ohne dass näher erläutert wird, worin das Amtsgericht das über den Umstand einer gefährlichen Körperverletzung hinausgehende "Gemeine" erblickt.

2.

Die weitergehende Revision ist unbegründet, da die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin im übrigen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufzeigt. Insbesondere begegnet es hier keinen rechtlichen Bedenken, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) verurteilt wurde, auch wenn keine näheren Feststellungen zur Art der Beschuhung getroffen werden konnten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es für die Frage, ob der Schuh am Fuß als ein gefährliches Werkzeug i.S. dieser Vorschrift anzusehen ist, auf die Umstände des Einzelfalles an. Selbst ein Turnschuh kann danach ein gefährliches Werkzeug sein (BGH NStZ 2003, 662, 663; NStZ 1999, 616 m.w.N.). Im Hinblick darauf kann kein Zweifel bestehen, dass auch ein möglicherweise leichterer Schuh nach seiner konkreten Verwendungsart - hie...

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