Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist die Anordnung der Zwangsverwaltung gegenüber einem nachrangig eingetragenen Nießbrauchsberechtigten fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit macht den Anordnungsbeschluss jedoch nicht nichtig.
2. Der die Zwangsvollstreckung betreibende Grundschuldgläubiger hat für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung auch bei einem als nachrangig eingetragenen Nießbrauchsrecht einen auf den Nießbraucher lautenden Duldungstitel vorzulegen (im Anschluss an BGH - IXa ZB 45/03 und IXa ZB 47/03).
3. Fehlt ein solcher Titel, führt dies lediglich zur Anfechtbarkeit des Anordnungsbeschlusses, nicht jedoch zu seiner Nichtigkeit.
4. Bestreitet der Wohnungsberechtigte den Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass er sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Der Zwangsverwalter kann Klage auf zukünftige Leistung erheben (§ 259 ZPO) und Nutzungsentschädigung geltend machen.
Normenkette
BGB § 879 Abs. 1 S. 2; ZPO § 259; ZVG § 152
Gründe
I.
Mit Beschl. v. 8.6.2009 ordnete das AG Lünen im Rahmen der von der Sparkasse W u.a. aus der notariellen Urkunde des Notars P v. 23.8.1994 betriebenen Zwangsvollstreckung gegen R die Zwangsverwaltung u.a. über das Grundstück Flurstück 3593 an und bestellte die Klägerin zur Zwangsverwalterin. Der Beklagte bewohnt eine auf Flurstück 3593 gelegene Erdgeschosswohnung mit einer Wohnfläche von 95 m2. Die Zwangsverwalterin begehrt die Räumung und die Zahlung einer Nutzungsentschädigung einschließlich einer Betriebskostenvorauszahlung v. Juni 2009 bis zu einer zukünftigen Räumung.
Ursprünglich war der Beklagte Alleineigentümer des Grundstücks. In notarieller Urkunde v. 23.8.1994 bestellte er zugunsten der Sparkasse W am Grundstück Flur 28, Flurstück 3593 eine sofort fällige Buchgrundschuld über 400.000 DM nebst Zinsen und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung. Die Grundschuld wurde am 20.10.1994 im Grundbuch eingetragen.
Am 4.1.2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet. In dessen Rahmen veräußerte der Insolvenzverwalter mit notariell beurkundetem Vertrag v. 28.3.2007 u.a. das Grundstück Flur 28, Flurstück 3593 an die damalige Ehefrau des Beklagten, R. Der Kaufvertrag erfolgte in Absprache mit der Sparkasse W. In § 3 des Kaufvertrags wird dem Beklagten unter Nr. 3. ein "lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht gem. § 1090 BGB" im Erdgeschoss des Hauses B 6 (Flurstück 3593) bestellt, wobei dieser anteilig Nebenkosten zu tragen habe. Die Eigentumsumschreibung und die Eintragung des Wohnrechts erfolgten am 11.9.2007.
Nach Anordnung der Zwangsverwaltung teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben v. 7.7.2009 mit, er müsse eine jeweils spätestens zum 3. Werktag eines Monats zu entrichtende monatliche Nutzungsentschädigung von 500 EUR zzgl. einer monatlichen Nebenkostenvorauszahlung von 150 EUR leisten, und mahnte ausstehende Zahlungen für Juni und Juli i.H.v. insgesamt 1.300 EUR an. Mit Schreiben v. 25.8.2009 kündigte sie das Nutzungsverhältnis wegen ausstehender Zahlungen für 3 Monate fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.11.2009 und verlangte die Räumung.
Der Beklagte hat auf seinen Namen Versorgungsverträge für Strom und Gas abgeschlossen. Zahlungen für weitere Betriebskosten hat er nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht an Frau B erbracht, und zwar als Ausgleich dafür, dass diese eine seinem Wohnrecht unterfallende Garage zu einem Preis von 50 - 60 EUR vermietete und die Mieteinnahmen nicht an den Beklagten auskehrte. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz eine Abrechnung über üblicherweise abgerechnete Betriebskosten erstellt, die die für die vom Beklagten bewohnte Erdgeschosswohnung zu tragende Kosten für 2009 auf 632,17 EUR beziffert, wobei die Klägerin ausdrücklich ausgeführt hat, dass dieser Betrag auf das gesamte Kalenderjahr und nicht nur den in der Abrechnung angegebenen Zeitraum umzulegen sei, woraus sich eine monatliche Zahlungspflicht von knapp 53 EUR ergebe. Wegen der unstreitig gebliebenen Einzelheiten der Abrechnung wird auf Bl. 180 der Akte Bezug genommen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Wohnrecht des Beklagten stehe den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen, da es im Rang hinter der Grundschuld stehe, aus der vollstreckt werde, und zudem die Zwangsvollstreckung auch gegen den Beklagten betrieben werde, da er bei Grundschuldbestellung Eigentümer gewesen sei. Sie sei berechtigt und verpflichtet, gegenüber dem Beklagten eine Nutzungsentschädigung festzusetzen, und müsse kein nur schuldrechtlich vereinbartes Nutzungsverhältnis dulden.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, weiterhin die Wohnung leihweise nutzen zu dürfen, zumal die Sparkasse gewusst habe, dass dem Beklagten ein Wohnrecht eingeräumt werden solle. Die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung sei treuwidrig, da die Sparkasse an der Veräußerung des Grundstücks an R maßgeblich beteiligt war. Die Zwangsverwalterin sei nicht berechtigt, ein E...