Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangelfallberechnung bei mehreren unterhaltsberechtigten Kindern. Gesteigerte Unterhaltspflicht: Zurechnung fiktiven Einkommens bei unzureichenden Erwerbsbemühungen. Zurechnung fiktiver Lohnfortzahlung und fiktiven Krankengeldbezuges bei vorübergehender Erkrankung nach fingierter Arbeitsaufnahme. Berücksichtigung eines nicht bei dem Unterhaltspflichtigen lebenden weiteren minderjährigen Kindes in der Unterhaltsberechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert Unterhaltspflichtige keine hinreichenden Erwerbsbemühungen entfaltet und ist ihm deshalb ein fiktives Einkommen zuzurechnen, dann führt eine vorübergehende Erkrankung, die geraume Zeit nach der fingierten Arbeitsaufnahme eintritt, zur Zurechnung fiktiver Lohnfortzahlung und anschließend fiktiven Krankengeldbezugs.
2. Soweit der Unterhaltspflichtige neben einem minderjährigen Kind, das von dessen Mutter betreut wird, ferner einem weiteren minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, dessen Mutter verstorben ist und das nicht bei dem Unterhaltspflichtigen lebt, ist dieses weitere Kind in eine Mangelberechnung mit dem doppelten nach den Einkommensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen maßgebenden Tabellensatz abzgl. der Halbwaisenrente und des anzurechnenden Kindergeldes in die Berechnung einzustellen; das Kindergeld ist auch dann zur Hälfte auf den monetarisierten Betreuungsbedarf anzurechnen, wenn im Übrigen für den Barbedarf eine Anrechnung nach § 1612b Abs. 5 BGB ausscheidet.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2, § 1612b Abs. 5
Verfahrensgang
AG Bochum (Urteil vom 14.12.2006; Aktenzeichen 61 F 402/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14.12.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Bochum unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt,
- für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis einschließlich April 2007 an den Kläger einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 247 EUR mit der Maßgabe zu zahlen, dass für die Zeit bis einschließlich April 2007 i.H.v. 170 EUR monatlich Zahlungen an das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Stadt B. (UVG-Kasse), geleistet werden sollen;
- für die Zeit ab Mai 2007 an den Kläger einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 140 EUR mit der Maßgabe zu zahlen, dass für den Monat Mai 2007 die Zahlung an das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Stadt B. (UVG-Kasse), geleistet werden soll.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten Rechtsstreits tragen der Kläger zu 24 % und der Beklagte zu 76 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.964 EUR festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt gem. § 540 Abs. 1 ZPO)
I. Der am 16.4.1996 geborene Kläger entstammt der am 10.10.1995 geschlossenen Ehe des Beklagten mit der gesetzlichen Vertreterin des Klägers.
Neben dem Kläger lebten in der Familie der am 14.5.1991 geborene weitere Sohn der gesetzlichen Vertreterin P. und der am 2.12.1993 geborene Sohn des Beklagten K., dessen Mutter bei der Geburt verstorben ist. Seit der Trennung der Eheleute am 2.1.2004 leben die Kinder bei der gesetzlichen Vertreterin des Klägers.
Die Ehe des Beklagten mit der gesetzlichen Vertreterin des Klägers ist durch rechtskräftiges Urteil des AG - FamG - B. vom 7.3.2006 im Verfahren 61 F 274/05 geschieden worden.
Der Beklagte hat den Beruf des Drehers erlernt. Bis April 2004 war er als Rollladenmonteurhelfer tätig. Die gleiche Tätigkeit übte er noch in der Zeit vom 15.10.2006 bis 3.11.2006 aus, allerdings ist dieses Arbeitsverhältnis in der Probezeit gekündigt worden. Im streitigen Unterhaltszeitraum ist der Beklagte durchgängig arbeitslos.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei aufgrund seiner beruflichen Qualifikation in der Lage, den Mindestunterhalt für ihn sicherzustellen.
Der Kläger hat zunächst laufenden Unterhalt ab Oktober 2005 und einen Unterhaltsrückstand i.H.v. 1.223 EUR für den Zeitraum von Mai bis September 2005 vom Beklagten begehrt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er dann den Antrag gestellt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn ab dem 1.12.2006 monatlich 247 EUR Unterhalt zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, nicht leistungsfähig zu sein. Hierzu hat er behauptet, auf Grund seiner Knieprobleme in seinem Beruf nicht mehr arbeiten zu können. Schwere Arbeiten könnten von ihm nicht verrichtet werden. Außerdem habe er sich umfassend, allerdings ohne Erfolg, um eine Arbeit bemüht.
Das FamG hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dr. W. der Klage vollumfänglich stattgegeben. Dabei hat es den Beklagten fiktiv veranlagt und ein erzielbares Nettoeinkommen i.H.v. 1.200 EUR zugrunde gelegt. Die belegten Erwerbsbemühungen hat es als nicht ausreichend angesehen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der sich weiterhin auf Leistungsunfähigkeit auf Grund seiner chronischen Reizkniebeschwerden beruft und Klageabweisung begehrt. Hierzu behauptet er, in seinem erlernten...