Leitsatz (amtlich)
Abstehende Kronenränder (eine Stufe zwischen den natürlichen Zähnen und der künstlichen Krone) entsprechen nicht dem zahnärztlichen Standard. Ein Zahnarzt handelt grob behandlungsfehlerhaft, wenn er einen Patienten ohne ausdrücklichen Hinweis darauf entlässt, dass eine von ihm eingegliederte Brücke nachbesserungsbedürftig ist.
Normenkette
BGB §§ 611, 280, 823, 253 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 12.02.2013; Aktenzeichen 4 O 56/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.2.2013 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6. Die Kosten der zweiten Instanz tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schmerzensgeldansprüche aus einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung.
Der Kläger ließ sich vom Beklagten im Dezember 2007 im Oberkiefer mit einer Brücke versorgen. Die Eingliederung des Zahnersatzes erfolgte am 18.12.2007. Am 16.1.2008 wurde noch eine Schiene eingesetzt. Danach suchte der Kläger die Praxis des Beklagten erst wieder am 16.12.2008 auf und wies auf Beschwerden wegen der Brückenkonstruktion hin. Am 28.5.2009 erschien der Kläger erneut in der Praxis und erklärte, dass er sich nicht mehr von dem Beklagten behandeln lassen wolle. Dieser fertigte am 4.6.2009 noch eine Röntgenaufnahme der Zähne und einen Abdruck des Oberkiefers an und stimmte im Übrigen schriftlich einer Beendigung der Behandlung zu. Der Kläger ließ sodann einen neuen Zahnersatz durch einen anderen Zahnarzt anfertigen. Im Auftrag der Krankenkasse erstellte der Zahnarzt Dr. T ein Gutachten an, in dem es heißt, dass die Kronen 12, 14 und 16 zum Teil stark stehende Kronenränder aufweisen. Der Zahnersatz sei dringend zu erneuern.
Der Kläger hat ein Schmerzensgeld i.H.v. 6000 EUR mit der Begründung geltend gemacht, die zahnprothetische Versorgung sei wegen fehlerhaft gestalteter Kronenränder mangelhaft. Es sei nicht zumutbar gewesen, dem Beklagten eine weitere Nachbesserung des Zahnersatzes zu ermöglichen.
Das LG hat sachverständig beraten den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 3.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein Schmerzensgeld in der ausgeurteilten Höhe zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die Kronenränder der prothetischen Versorgung grob behandlungsfehlerhaft gestaltet worden seien. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass die vom Kläger geäußerten Beschwerden auf den fehlerhaft gestalteten Zahnersatz zurückzuführen seien. Nach Auffassung der Kammer sei ein Schmerzensgeld i.H.v. 3000 EUR angemessen.
Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung des Beklagten, der sein erstinstanzliches Begehren auf Klageabweisung weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, das LG habe fehlerhaft angenommen, er hätte die auf dem Röntgenbild sichtbare Stufenbildung vor Eingliederung des Zahnersatzes erkennen können. Da der Sachverständige die nicht mehr vorhandene Brücke nicht klinisch habe beurteilen können, sei er aber lediglich davon ausgegangen, dass der Beklagte die Stufe in jedem Fall hätte erkennen können. Die Schlussfolgerung, es habe sich dabei um einen groben Behandlungsfehler gehandelt, sei nicht gerechtfertigt. Der Schaden sei fehlerhaft vom Gericht bemessen worden. Feststellungen dazu, wo Entzündungen vorhanden gewesen seien, habe der Sachverständige nicht getroffen. Selbst wenn Entzündungen vorgelegen haben sollten, stehe nicht fest, dass diese auf die abstehenden Kronenränder zurückzuführen gewesen seien. Hätte der Kläger tatsächlich deswegen Schmerzen gehabt, hätte er den Beklagten sicherlich früher aufgesucht.
Der Beklagte beantragt abändernd, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die landgerichtliche Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien persönlich gem. § 141 ZPO angehört. Der Sachverständige hat sein Gutachten erneut mündlich erläutert und ergänzt. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.9.2014 nebst Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Kläger hat gem. §§ 611, 280, 823, 253 Abs. 2 BGB gegen den Kläger einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung i.H.v. 1.000 EUR.
Der Beklagte hat den Kläger bei der Anferti...