Leitsatz (amtlich)
Ein Tierarzt verletzt seine vertragliche Aufklärungspflicht, wenn er dem Eigentümer eines Hengstes vor einer beabsichtigten Kastration nicht umfassend über die zur Verfügung stehenden Kastrationsmethoden und deren unterschiedliche Risiken aufklärt. Er handelt zudem behandlungsfehlerhaft, wenn er bei einer im Liegen durchgeführten Kastration keine durch Transfixation abgesicherte beidseitige Ligatur vornimmt.
Normenkette
BGB §§ 611, 280, 249
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 13.01.2016; Aktenzeichen 16 O 36/14) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.1.2016 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen den Beklagten Haftungsansprüche (u.a. Schadensersatzansprüche betreffend den Kaufpreis/Marktwert des Pferdes in Höhe von 5.000,00 EUR; 2 Rechnungen der Tierklinik U über 3.022,82 EUR und 19,64 EUR zuzüglich Nebenforderungen sowie die Feststellung, dass dem Beklagten kein Honoraranspruch aus der streitgegenständlichen Behandlung zustehe) im Zusammenhang mit einer von diesem durchgeführten Kastration des Hengstes "B", in deren Zuge es zu Komplikationen und schließlich zur Euthanisierung des Pferdes kam, geltend. Wegen des weiter gehenden erstinstanzlichen Sachvortrags sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme überwiegend stattgegeben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beklagten aufgrund einer fehlenden Risikoaufklärung vor dem streitgegenständlichen Eingriff sowie einer behandlungsfehlerhaft durchgeführten Kastration ein grober Behandlungsfehler anzulasten sei. Den ihm mithin obliegenden Beweis der fehlenden Kausalität zwischen seiner Behandlung und dem schließlich eingetretenen Tod des Tieres habe der Beklagte nicht führen können.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er geltend macht, dass die Klägerin eine Verletzung der Beratungspflicht über die Risiken der Operation nicht nachweisen könne. Zudem habe die Klägerin - bei unterstellt fehlender Aufklärung - nicht beweisen können, dass sie im Fall einer Risikoaufklärung den Eingriff nicht hätte vornehmen lassen. Zu Unrecht gehe das LG ferner von einem groben Behandlungsfehler aus. Diese Wertung lasse sich dem Sachverständigengutachten nicht entnehmen Daraus ergebe sich weder, dass eine abgerutschte Ligatur dem Beklagten zuzurechnen, noch dass sie für den Tod des Tieres verantwortlich sei. Zudem sei die vom LG angenommene Beweislastumkehr betreffend die Kausalität zwischen etwaigen Behandlungsfehler des Beklagten und dem Tod des Pferdes nicht gerechtfertigt. Die Klägerin habe das Pferd nicht sezieren lassen, so dass die Ursache für den Tod nicht mehr klärbar sei. Letztlich habe nur die durch die Blutanalysen in der Tierklinik U belegte Myopathie zur infausten Prognose und zur Euthanasie des Tieres geführt.
Schließlich stehe dem Beklagten auch der Anspruch auf Zahlung von 509,04 EUR aus seiner Rechnung vom 06.11.2013 zu. Die Kastration des Pferdes sei vollständig und fehlerfrei erfolgt.
Die Klägerin beruft sich auf einen Rechtsmittelverzicht des Beklagten, weil dieser bzw. dessen Haftpflichtversicherer vorbehaltlos die ausgeurteilte Hauptforderung nebst Zinsen als auch die vom LG festgesetzten Kosten beglichen habe. Sie beantragt vorrangig die Verwerfung der Berufung als unzulässig und hilfsweise - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags - die Zurückweisung.
Wegen des weiter gehenden Sachvortrags sowie der in der Berufungsinstanz gestellten Anträge wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.I. Die Berufung ist zulässig. Dass in der kommentarlosen Zahlung der vollständigen Urteilssumme nebst Kosten durch den Haftpflichtversicherer bzw. den Beklagten selbst ein Rechtsmittelverzicht gemäß § 515 ZPO liegt, ließ sich nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles nicht feststellen.
II. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
1. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus §§ 611, 280 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB in der vom LG zugesprochenen Höhe zu.
a) Das LG ist zu Recht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen, die dieser im Senatstermin nochmals eingehend erläutert hat, davon ausgegangen, dass der Beklagte die ihm aus dem Behandlungsvertrag obliegende Aufklärungspflicht verletzt hat. So hätte es ihm oblegen, die Klägerin über die grundsätzlich zur Verfügung stehenden Kastrationsmethoden und deren unterschiedliche Risiken aufzuklären. Das galt vorliegend insbesondere auch deshalb, weil das Alter des Pferdes gegen eine Kastration im Stehen, wie sie zunächst vom Beklagten geplant und auch begonnen wurde, sprach. Dazu hat der Sachverständige erläutert, dass diese Kastration...