Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebäudeversicherung: Gefahrerhöhung durc Bordellbetrieb
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob mit dem Zwangsverwalter eines Grundstücks ein neuer Gebäudeversicherungsvertrag zustande gekommen ist (hier verneint; unter II 1).
2. Wird in dem Gebäude einer bisherigen Kfz-Werkstatt ein (kleines) Bordell betrieben, so kann dies wegen der besonderen hiermit verbundenen Risiken eine Gefahrerhöhung im Rahmen der Gebäudeversicherung darstellen. Dies gilt auch, wenn das Gebäude von außen nicht als eines mit Bordellbetrieb erkennbar ist und Mietverträge bereits gekündigt sind. (Unter II 2b; Gefahrerhöhung bejaht.)
3. Einzugsermächtigungen der Realgläubiger verschaffen dem Zwangsverwalter keine Prozessführungsbefugnis zum Einklagen der Ansprüche der Realgläubiger (unter II 3).
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 31.10.2012) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.10.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger macht als Zwangsverwalter über das Vermögen des Herrn S Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung geltend.
Der Zeuge S ist Berechtigter eines Erbbaurechts an der Gebäude- und Freifläche X in A. Bei diesem Objekt handelte es sich ursprünglich um einen Kfz-Betrieb mit Reifenhandel und Werkstatt mit Ausstellungsräumen im Erdgeschoss und Wohnräumen im Obergeschoss. Der Erbbauberechtigte S hatte für dieses Objekt bei der Beklagten eine Gebäudeversicherung unter der Versicherungsnummer FKA 15-0147061-82 abgeschlossen. Die im Rahmen des Reifenhandels gewerblich genutzten Räumlichkeiten im Erdgeschoss waren an Herrn V, den Vater des Herrn S, vermietet.
Spätestens im Jahr 2002 wurde das Obergeschoss des versicherten Objekts an Prostituierte vermietet.
Mit Beschluss des AG A vom 3.11.2008 (Az. 11aL 013/08) wurde der Kläger wegen eines dinglichen Anspruchs der B i.H.v. 230.081,35 EUR nebst 15 % Zinsen seit dem 9.4.1996 zum Zwangsverwalter des Erbbaurechts an der Gebäude- und Freifläche X in A bestellt.
Mit Schreiben vom 5.12.2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte unter dem Betreff "Gebäude-Versicherungs-Nr. FKA 15-0147061-82". Er teilte mit, dass nach seinen Informationen bei der Beklagten eine Gebäudeversicherung bestand und bat u.a. um Übersendung des Versicherungsscheins und Mitteilung, ob die Prämien gezahlt worden seien. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das Schreiben (Bl. 43 GA) Bezug genommen. Die Beklagte vertreten durch den Zeugen W übersandte dem Kläger daraufhin einen Versicherungsschein ebenfalls unter der Versicherungsnummer FKA 15-0147061-82, in dem es u.a. heißt: "ab 3.11.2008, 0 Uhr, Vertragsumschreibung" sowie "Art des Gebäudes: Geschäftsgebäude mit Handelsbetrieben". Überdies weist der Versicherungsschein als Versicherungsnehmer den Kläger als Zwangsverwalter für Herrn S aus.
In den dem Versicherungsschein beigefügten Unterlagen heißt es:
"Der Versicherungsvertrag kommt zustande, wenn Sie unser Vertragsangebot (Angebotspolice) annehmen, die Vertragsannahmeerklärung unterzeichnen und an uns zurücksenden.
Haben sie uns einen unterzeichneten Versicherungsantrag eingereicht, so gilt: Der Versicherungsvertrag kommt zustande, wenn wir ihren Antrag ausdrücklich annehmen."
Zum weiteren Inhalt des Versicherungsscheins vom 8.12.2008 und der maßgeblichen Versicherungsbedingungen der Beklagten (WSGB 98) wird auf diesen (Anlage K2) Bezug genommen.
Am 19.9.2010 entstand ein erheblicher Brandschaden an dem streitgegenständlichen Objekt.
Die Staatsanwaltschaft B leitete wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung unter dem Aktenzeichen 76 Js 434/10 ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn S und Herrn V ein, das gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde.
Unter dem 8.10.2010 kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag unter Hinweis darauf, dass sie anlässlich des eingetretenen Feuerschadens vom 19.9.2011 Kenntnis davon erhalten habe, dass das Obergeschoss des versicherten Gebäudes für die Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution genutzt worden sei und diese Nutzungsänderung eine während der Versicherungszeit eingetretenen Gefahrerhöhung darstelle.
Die Beklagte beauftragte zur Ermittlung der Schadensursache sowie zur Schadenshöhe ein Sachverständigengutachten der SV GmbH (nachfolgend SV). Diese stellte im Rahmen ihres Gutachtens vom 19.5.2011 einen Gesamtschaden i.H.v. 712.513,44 EUR fest. Zum weiteren Inhalt des Gutachtens der SV vom 19.5.2011 wird auf dieses Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 31.5.2011 lehnte die Beklagte eine Regulierung des Schadens gegenüber dem Kläger ab.
In erster Instanz hat der Kläger einen Teilbetrag des entstandenen Schadens i.H.v....