Entscheidungsstichwort (Thema)
Hausratversicherung: Schadensersatzanspruch des VN wegen unterlassener Beratung (§ 6 VVG) zu Wertgrenzen/Tresorklausel
Leitsatz (amtlich)
Wenn entsprechende Anhaltspunkte für den Versicherer (oder Versicherungsagenten) bestehen, muss der Versicherungsnehmer konkret zu den Voraussetzungen für ausreichenden Versicherungsschutz beraten werden, so etwa zum Erfordernis, Schmuck in einem Tresor (mit bestimmten Merkmalen) aufzubewahren. Unterbleibt dies, kann dem Versicherungsnehmer - so hier - ein Schadensersatzanspruch zustehen.
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 18 O 201/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.10.2019 verkündete Urteil der
18. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.726,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2019 zu zahlen.
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Hausratsversicherung geltend.
Die Versicherung sah im Fall des Einbruchsdiebstahls eine Wertsachengrenze von 50 % der Versicherungssumme in Höhe von 104.000,00 EUR vor. Ursprünglich hatte der auf Seiten der Beklagten tätige Agent eine Wertsachengrenze von 20 % vorgesehen, was aber auf Wunsch der Klägerin geändert wurde, nachdem diese erklärt hatte, Schmuck im Wert von etwa 50 % der Versicherungssumme zu besitzen.
Zugleich enthielt der Vertrag eine Tresor- / Verschlussklausel, wonach bestimmte Wertsachen, unter anderem auch Schmuck, nur dann über 21.000,00 EUR versichert sind, wenn sie in einem Tresor verwahrt werden.
Konkret heißt es in Ziffer 1.3.2:
"Ferner ist die Entschädigung für folgende Wertsachen je Versicherungsfall (Ziffer 3) begrenzt, wenn sich diese außerhalb verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg und auch außerhalb eingemauerter Stahlwandschränke mit mehrwandiger Tür, oder außerhalb besonders vereinbarter sonstiger verschlossener Behältnisse mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen befinden, auf
- [...]
- 21.000 EUR insgesamt für Wertsachen gemäß Ziffer 1.2.3."
Auf die Tresor- / Verschlussklausel wies der Agent die Klägerin nicht hin.
Bei einem Einbruch am 00.11.2017 wurde der Klägerin neben anderen Hausratsgegenständen Schmuck im Wert von 52.000,00 EUR gestohlen, welcher nicht in einem Tresor lagerte.
Die Beklagte zahlte als Entschädigung für den Schmuck 21.000,00 EUR und lehnte unter Hinweis auf die Entschädigungsgrenze weitere Leistungen hierauf mit der Begründung ab, dass der Schmuck nicht in einem Tresor gelagert war.
Die Klägerin hält die Tresorklausel für unwirksam und beruft sich hilfsweise auf eine diesbezügliche Schlechtberatung bei Vertragsschluss durch den Agenten der Beklagten.
Das Landgericht hat der entsprechenden Klage wegen Falschberatung stattgegeben.
Bezüglich des genauen erstinstanzlichen Vortrages, der Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Landgerichts (Bl. 97 ff. der erstinstanzlichen elektronischen Akte [= eGA I-97 ff.]) verwiesen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Nicht nur sei die Verschlussklausel wirksam schriftlich in den AVB vereinbart. Vielmehr dürfe diese wirksame schriftliche Vereinbarung nicht dadurch ausgehebelt werden, dass über sie bei Vertragsschluss gesondert mündlich belehrt werden müsse.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2020 persönlich angehört.
II. Die Berufung ist überwiegend unbegründet.
1. Allerdings beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf die Unwirksamkeit der Tresor- / Verschlussklausel.
Tresor- / Verschlussklauseln in den Hausratsbedingungen in der vorliegenden Fassung werden als primäre Risikobeschreibung zutreffend als wirksam angesehen (vgl. BGH Urt. v. 16.3.1983 - IVa ZR 111/81, r+s 1983, 102 unter II. = juris Rn. 18 ff.; Senat Beschl. v. 31.8.2016 - 20 U 69/16, r+s 2017, 21, unter insbesondere II.2 = juris Rn. 57; OLG Oldenburg Beschl. v. 13.1.2017 - 5 U 162/16 mit Anm. Günther, jurisPR-VersR 2/2018 Anm. 3; OLG Köln Beschl. v. 17.11.2016 - 9 U 127/16, VersR 2017, 612 mit Anm. Schwartz, jurisPR-VersR 8/2017; OLG Ha...