Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensversicherung: Nebenpflichten des Versicherers bei einer Bezugsrechtsänderung
Leitsatz (amtlich)
Unternimmt es der Agent eines Lebensversicherers, die schriftliche Anzeige einer Bezugsrechtsänderung (vgl. § 14 ALB 1994, § 13 ALB 1986) vorzubereiten und dem Versicherungsnehmer zukommen zu lassen, hält der Agent dann aber diese Zusage nicht ein und weist auch nicht darauf hin, dass eine formlose Anzeige des Versicherungsnehmers an den Versicherer genügt, so kann daraus ein Schadensersatzanspruch des "designierten" Bezugsberechtigten gegen den Versicherer erwachsen. Den Versicherer trifft eine drittschützende Nebenpflicht. Ggf. ist anspruchsmindernd ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers und des "designierten" Bezugsberechtigten zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 09.01.2008; Aktenzeichen 8 O 289/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 9.1.2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Hagen teilweise abgeändert.
Die Beklagte zu 3. wird verurteilt, an die Klägerin 10.455,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 13.9.2007 zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese zu 75 % und die Beklagte zu 3. zu 25 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3. trägt diese zu 75 % und die Klägerin zu 25 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagen zu 1. und 2. trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der verstorbene Ehemann der Klägerin unterhielt bei der Beklagten zu 3 eine Lebensversicherung. Als er unheilbar an Krebs erkrankte und der Tod unmittelbar bevorstand, besprach er mit zwei Agenten des Versicherers, den Beklagten zu 1 und 2, eine Bezugsrechtsänderung zugunsten der Klägerin. Die Beklagten zu 1 und 2 versprachen, dem Ehemann der Klägerin oder dieser kurzfristig einen vorgefertigten Antrag zu übermitteln. Tatsächlich geschah das bis zu dem Tod des Ehemanns, gut fünf Wochen später, nicht.
Die Klägerin begehrt, so gestellt zu werden, als wenn die Bezugsrechtsänderung wirksam erfolgt wäre.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist hinsichtlich der Beklagten zu 3. im tenorierten Umgang begründet, hinsichtlich der Beklagten zu 1. und 2. unbegründet.
I. Ansprüche ggü. der Beklagten zu 3.
1. Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin ggü. der Beklagten zu 3. geltend gemachten Schadensersatz sind §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 278 BGB.
Die Beklagte zu 3. hat das zwischen ihr und der Klägerin begründete Schuldverhältnis schuldhaft verletzt.
a) Die Gewährung eines Bezugsrechts im Rahmen einer Lebensversicherung begründet für den begünstigten Dritten ein einseitiges Forderungsrecht nach § 328 Abs. 1, G330 Satz 1 BGB. Es handelt sich um ein vertragsähnliches Verhältnis, das zugunsten des Dritten auch vertragliche Nebenpflichten begründet (vgl. BGH NJW 2005, 3778). Bei Beteiligung des Dritten am Vertragsschluss können auch vorvertragliche Sorgfaltspflichten über § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB bewirkt werden.
Auf die insoweit zutreffenden rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen.
b) Eine schuldhafte Verletzung dieser vorvertraglichen Nebenpflichten ist nach dem eigenen schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten und der Angaben der Beklagten 1. und 2. in der mündlichen Verhandlung am 19.11.2008 festzustellen.
Es ist erstinstanzlich unstreitig gewesen, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten zu 3. und Ehemann der Klägerin, D. V, Ende des Jahres 2006 unheilbar an Krebs erkrankte, nur noch eine geringe Lebenserwartung hatte und das Bezugsrecht für die Lebensversicherung mit der Versicherungsschein-Nr. 1-26.841.287-9 zugunsten seiner Ehefrau - der Klägerin - festlegen wollte.
Soweit die Beklagten zweitinstanzlich mit Schriftsatz vom 11.9.2008 (Bl. 127 ff.) erstmals vermuten, dass ihr Versicherungsnehmer diese Bezugsrechtsfixierung nicht mehr wollte, lösen sie sich von ihrem erstinstanzlichem Vortrag (vgl. S. 4 unten der Klageerwiderung vom 15.10.2007/Bl. 41). Ihr neues Vorbringen ist gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Zudem ist es eine bloße Spekulation.
Unstreitig versprachen die Beklagten zu 1. und 2. im Rahmen der Besprechung am 6.3.2007 in der Wohnung der Eheleute V, die Bezugsrechtsfixierung kurzfristig vorzubereiten. Dies haben die Beklagten zu 1. und 2. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt. Danach sagten sie der Klägerin zu, ihr einen vorgefertigten Antrag zur Festlegung und/oder Änderung des Bezugsrechts kurzfristig zu übermitteln.
Die Beklagten zu 1. und 2. hielten diese Zusage jedoch nicht ein. Zur Übergabe eines vorbereiteten Antrages kam es bis zum Ableben des Versicherungsnehmers am 13.4.2007 nicht. Und der Versicherungsnehmer oder die Klägerin wurden auch...