Leitsatz (amtlich)
Zur Bewertung von Indizien, die für und gegen einen manipulierten Unfall sprechen.
Normenkette
StVG § 7; VVG § 115 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 11.09.2015; Aktenzeichen 3 O 231/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.09.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Essen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, 8.238,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2013 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 808,13 Euro an die Klägerin zu zahlen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen, die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 18 % und die Beklagte zu 82 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klägerin nimmt mit der Behauptung, Eigentümerin eines Pkw Mercedes ML 400 CDI zu sein, der bei einem Unfall vom 29.07.2013 beschädigt worden sein soll, die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Ehemann der Klägerin befuhr am besagten Tag um 11.05 Uhr die I-Straße in F. An der Kreuzung mit der C-Straße soll dieser sodann das Fahrzeug bei Rotlicht angehalten haben, woraufhin der Versicherungsnehmer der Beklagten, Herr C mit seinem mit einem Zollkennzeichen ausgestatteten Pkw BMW 520i auf den Mercedes aufgefahren sein soll. Herr C ist georgischer Staatsangehöriger und hat kurz nach dem Unfall die Bundesrepublik verlassen mit der Folge, dass von ihm nur eine schriftliche Unfallmitteilung vorliegt.
Der Unfall wurde von der herbeigerufenen Polizei aufgenommen.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann, der erstinstanzlich vernommene Zeuge U, von Beruf Gebrauchtwagenhändler, habe ihr den fraglichen Pkw geschenkt. Es habe ein Auffahrunfall stattgefunden, bei dem ihr Fahrzeug einen Heckschaden erlitten habe, der mit einem Reparaturkostenaufwand laut Gutachten des Sachverständigen X in Höhe von 8.988,26 Euro netto zu beheben sei. Ferner seien ihr Sachverständigenkosten in Höhe von 916,41 Euro und Anwaltskosten in Höhe von 887,03 Euro entstanden.
Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung dieser Beträge zu verurteilen. Sodann hat sie, nachdem festgestellt worden war, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls keine Anhängerkupplung besessen hat, die Klage in Höhe von 775,14 Euro zurückgenommen und hinsichtlich der Sachverständigenkosten umgestellt.
Sie hat sodann beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 8.238,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2013 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 887,03 Euro zu zahlen, und die Beklagte des Weiteren zu verurteilen, sie von der Forderung des Sachverständigen X aus der Rechnung Nr. 32/13 vom 02.08.2013 in Höhe von 916,41 Euro freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat das Eigentum der Klägerin sowie eine Kollision zwischen den Fahrzeugen, hilfsweise ein unfreiwilliges Unfallereignis bestritten und darauf hingewiesen, dass es eine auffällige Häufung von Indizien gebe, welche für einen fingierten Unfall sprächen. Ferner hat sie auch die Höhe des Schadens und insbesondere das Erfordernis eines Ab- und Aufbaus der Karosserie für 2.000,00 Euro bestritten, weil kein Rahmenschaden vorliege. Auch sei der vom Sachverständigen festgesetzte Wiederbeschaffungswert unverhältnismäßig hoch.
Das LG hat Beweis über den Unfallhergang durch Vernehmung des Zeugen U sowie über den Unfallhergang und die Höhe des eingetretenen Schadens durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben. Sodann hat es die Klage mit Urteil vom 11.09.2015 mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe zwar durch Vorlage von Zulassungspapieren und Versicherungsschein ihre Eigentümerstellung zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können. Jedoch habe sie nicht hinreichend darzulegen vermocht, dass das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug auf das Fahrzeug der Klägerin aufgefahren sei. Es sei bereits nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge U von dem behaupteten Unfallgeschehen lediglich ein Geräusch gehört haben wolle. Auch stünde die Aussage nicht in Einklang mit den Feststellungen des Sachverständigen, wonach eine widerspruchsfreie Schadenszuordnung nur möglich sei, wenn das Fahrzeug des Versicherungsnehmers der Beklagten kurz vor dem Zusammenstoß stark abgebremst worden sei. Ein solches Abbremsen habe der Zeuge U jedoch nicht beschrieben, insbesondere kein Bremsgeräusch gehört. Auch der Versicherungsnehmer der Beklagten habe in dem von der Beklagten übermittelten Fragebogen zum Unfallhergang nicht angegeben, dass er gebremst habe. Danach habe lediglich der Mercedes gebremst.
Im Übrigen wird gem. § 540 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen, soweit sich aus Nachfolgendem nichts anderes ergibt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter.
Der Senat hat die Klägerin angehört und den Zeugen...