Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 22.11.1994; Aktenzeichen 23 O 263/94) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 22. November 1994 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil beschwert den Beklagten in Höhe von 50.000,00 DM.
Gründe
(ohne Tatbestand gem. § 543 Abs. 1 ZPO)
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
1.
Die Erblasserin hat in ihrem Testament vom 03.09.1991 den Beklagten mit einem Vermächtnis zugunsten der Klägerin gem. §§ 2147, 2174 BGB beschwert, daß die Erblasserin nicht gem. den §§ 2253 bis 2258 Abs. 1 BGB widerrufen hat. Sie hat weder ein anderslautendes Testament errichtet, noch hat sie das Testament vernichtet, nachdem sie der Klägerin die 50.000,00 DM ausgezahlt hatte.
2.
Der Beklagte hat den ihm obliegenden Beweis dafür, daß die Erblasserin den Vermächtnisanspruch der Klägerin vorzeitig erfüllt hat, nicht erbracht. Der Anspruch der Klägerin entstand gem. § 2176 BGB erst mit dem Erbfall. Schuldner war der Beklagte. Diese künftige Forderung gegen den Beklagten konnte zwar von der Erblasserin schon vorzeitig zu deren Lebzeiten erfüllt werden (RG Warn, Rspr. 1941, Nr. 56; KG OLGZ 30, 205, 206; Kuchinke JZ 1983, 483, 486, 487). Die Erblasserin wäre in diesem Falle aber nur Dritte im Sinne des § 267 Abs. 1 BGB gewesen. Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB konnte daher nur eintreten, wenn die Klägerin die Zahlung der 50.000,00 DM zumindest auch als eine Zahlung auf den künftigen Anspruch aus dem Vermächtnis verstehen konnte (BGH NJW 1979, 157; MüKo Keller, 3. Aufl., § 267 Rdn. 7–10 jeweils m.w.N.). Die Absicht der Erblasserin, das Geld mit dieser Zweckbestimmung zahlen zu wollen, hätte von der Erblasserin aber unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden müssen (BGH a.a.O.). Der insoweit beweispflichtige Beklagte (Kuchinke a.a.O.) tritt hierfür keinen Beweis an. Es bleibt daher zumindest die ernsthafte Möglichkeit, daß die Erblasserin bei der Geldhingabe das der Klägerin unbekannte Testament überhaupt nicht erwähnt hat, so daß die Klägerin die Handlung der Erblasserin nur als eine Schenkung unter Lebenden im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB verstehen konnte und mußte. In diesem Sinne hat auch der Ehemann der Klägerin, der Zeuge … vor dem Landgericht ausgesagt. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach der Behauptung des Beklagten am 30.01.1993, als der Beklagte der Klägerin die Fotokopie des Testamentes aushändigte, die Frage des Beklagten, ob sie, die Klägerin, im November die 50.000,00 DM schon bekommen habe, mit einem „Ja” beantwortet hat. 50.000,00 DM hatte sie ja auch erhalten. Der erstmalige, flüchtige Blick in das übergebene Testament konnte bei der rechtsunkundigen Klägerin zunächst auch den Eindruck erwecken, daß es sich bei den erhaltenen 50.000,00 DM um den im Testament angesprochenen Betrag handelt, zumal die suggestive Frage des Beklagten in diese Richtung zielte. Das „Ja” läßt jedenfalls nicht zwingend den Rückschluß zu, daß die Erblasserin bei der Geldhingabe die Klägerin von dem Vermächtnis unterrichtet hat.
3.
Die Erblasserin hätte das Vermächtnis zugunsten der Klägerin zwar auch unter der auflösenden Bedingung anordnen können, daß eine entsprechende Geldsumme der Klägerin von der Erblasserin nicht schon zu deren Lebzeiten ausgezahlt wird (RG Gruchot 63, 471, 473 f.; OLG München OLGZ 34, 293, 294; Staudinger-Otte, 12. Aufl., § 2155 Rdn. 4; MüKo-Skibbe, 2. Aufl., § 2155 Rdn. 9). Ob das Vermächtnis unter eine solche Bedingung gestellt worden ist, ist durch Testamentsauslegung zu ermitteln, wobei die Beweislast wieder beim Beklagten liegt (Kuchinke, a.a.O.). Diesen Beweis hat der Beklagte nicht geführt:
Bei der nach §§ 133, 2084 BGB vorzunehmenden Testamentsauslegung ist der wirkliche Wille der Erblasserin zu erforschen. Die Auslegung darf sich nicht auf eine Analyse des Wortlautes des Testamentes beschränken. Zur Erforschung des Willens der Erblasserin sind auch alle außerhalb der Testamentsurkunde liegenden Umstände heranzuziehen. Gelingt es trotz der Auswertung aller zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienenden Umstände nicht, sich von dem tatsächlich vorhandenen, wirklichen Willen der Erblasserin zu überzeugen, ist der Sinn zu ermitteln, der den mutmaßlichen Willen der Erblasserin entspricht. Allerdings muß dieser Wille der Erblasserin in der Testamentsurkunde irgendwie – wenn auch versteckt – zum Ausdruck kommen (BGHZ 80, 242, 243 ff.; 86, 41, 45 ff. m.w.N.). Veränderungen hinsichtlich des vermachten Gegenstandes, die nach Errichtung des Testamentes eingetreten sind und die nicht unter die gesetzlichen Regelungen der §§ 2169-2172 BGB fallen, können auch Gegenstand einer ergänzenden Testamentsauslegung sein (BGHZ 20, 357, 360). Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt im vorliegenden Falle folgendes:
Die Erblasserin hat sicherlich erwogen, schon zu ihren Lebzeiten der Klägerin ...