Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen 5 O 29/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen – das am 20.12.2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. Die Beklagten zu 1., 2., 5. und 6. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 500.000,– EUR nebst 4 % Zinsen aus 250.000,– EUR für den Zeitraum vom 16.03.2001 bis zum 25.03.2002 sowie aus 500.000,– EUR seit dem 26.03.2002 zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1., 2., 5. und 6. gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Folgeschaden und sämtlichen kongruenten materiellen Schaden aus der fehlerhaften Geburtsleitung vom …1999 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden.
  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  4. Kosten des Rechtsstreits erster Instanz:

    Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser zu 43 % und die Beklagten zu 1., 2., 5. und 6. als Gesamtschuldner zu 57 %. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3., 4. und 7. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1., 2., 5. und 6. tragen diese jeweils selbst.

    Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz:

    Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3., 4. und 7 aufgrund seiner Berufungsrücknahme. Im Übrigen tragen die Beklagten zu 1., 2., 5. und 6. die weiteren Kosten der Berufung.

  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger sowie die Beklagten zu 1., 2., 5. und 6. können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

  6. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

I.

Der am ….1999 geborene Kläger nimmt wegen der vermeintlich behandlungsfehlerhaften Vorgehensweise der an seiner Geburt beteiligten Ärzte und Hebammer die Beklagten zu 1. und 2. als gynäkologische Belegärzte des S. Hospitals L. und die Beklagten zu 5. und 6. als dort tätige Hebammen gesamtschuldnerisch auf Haftung in Anspruch, wobei sich sein Klagebegehren ursprünglich auch gegen die Beklagte zu 3. als im Krankenhaus angestellte Assistenzärztin, die Beklagte zu 4. als Krankenhausträgerin und die Beklagte zu 7. als diensthabende Anästhesistin des Krankenhauses richtete. Er macht geltend, aufgrund verschiedener organisatorischer und geburtshilflicher Versäumnisse in der Zeit zwischen der Krankenhausaufnahme seiner Mutter am …1999 und seiner Geburt drei Tage später sei es zu einer geburtsassoziierten Hirnschädigung gekommen, welche sich in einer schweren hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie bei Mikrozephalie und Hirnatrophie manifestiert habe. Infolge des fehlerhaften Vorgehens – insbesondere wegen unzureichender Reaktionen auf gravierende Hinweise bzgl. einer fetalen Sauerstoffunterversorgung – liege nun bei ihm seit der Geburt eine schwerste Mehrfachbehinderung in allen Belangen vor, wobei sein massiver Residualzustand keinerlei Selbständigkeit aufweise oder entwickeln lasse; verstärkt werde sein Leiden durch schwere spastisch-motorische Behinderungen, ein massives cerebrales Krampfanfallsleiden und eine schwerstgradige Seh- wie Hörstörung.

Der Kläger hat die Beklagten erstinstanzlich vor dem Landgericht Siegen mit der am 25.03.2002 zugestellten Klage als Gesamtschuldner auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und Feststellung der gesamtschuldnerischen Ersatzpflicht für die fehlerhafte Geburtsbetreuung in Anspruch genommen. Die Beklagten sind der Inanspruchnahme entgegen getreten; sie haben jeweils ihr eigenes Vorgehen als fachgerecht verteidigt, die eigene Verantwortlichkeit für mögliche Schädigungsursachen in Abrede gestellt und anderweitige schicksalhafte Vorschädigungsursachen vermutet. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des durch den Einzelrichter des Landgerichts Siegen ergangenen Urteils vom 20.12.2007 Bezug genommen (§540 I 1 Zif. 1 ZPO).

Das Landgericht Siegen hat mit dem genannten Urteil der Klage bezüglich der in Anspruch genommenen Beklagten zu 1., 2., 5. und 6. durch Zuerkennung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 500.000 EUR entsprochen – nachdem es verschiedene gynäkologische, neonatologische und neuropädiatrische Sachverständigengutachten eingeholt und die leitende Hebamme des S. Hospitals T. als Zeugin uneidlich vernommen hatte. Dem Feststellungsbegehren des Klägers hat das Landgericht nur bzgl. der immateriellen und materiellen Zukunftsschäden aufgrund der fehlerhaften Geburtsbetreuung vom S. ….1999 stattgegeben. Die begehrte Ersatzpflichtfeststellung wegen bereits entstandener materieller Schäden hat es mangels ausreichenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen. Die gegen die B 3, B 4 und B 7 gerichtete Klage ist gänzlich abgewiesen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?