Leitsatz (amtlich)
Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches (Gebührenerzielungsinteresse) bei nicht mehr vorhandenem vernünftigen Verhältnis zwischen der Abmahntätigkeit und der eigentlichen gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden (hier: Abmahnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Briefkästen).
Normenkette
UWG § 8 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 16.07.2015; Aktenzeichen 43 O 62/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 16.7.2015 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Essen teilweise - im Ausspruch zu Ziffer 1. der Urteilsformel - abgeändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfügungsantrages zu 2. (= Ziffer 1. der Urteilsformel des angefochtenen Urteils) zurückgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Verfahrens tragen die Verfügungsklägerin zu 2/3 und die Verfügungsbeklagte zu 1/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Gründe
A. Von einer Sachverhaltsdarstellung wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B. Die - zulässige - Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, nachdem die Verfügungsklägerin ihre Berufung zurückgenommen hat, allein noch der erstinstanzliche Verfügungsantrag zu 2., dem das LG unter Ziffer 1. der Urteilsformel des angefochtenen Urteils stattgegeben hat und mit dem die Verfügungsklägerin beanstandet, dass sich auf der Verkaufsverpackung eines von der Verfügungsbeklagten verkauften Briefkastens des Herstellers "C KG" ein in der Art eines "Prüfsiegels" gestalteter Aufdruck mit der Aufschrift "Geprüfte Qualität" (Einzelheiten Anlage FN2 = Blatt 12-18 der Gerichtsakte) befand.
Dieser Verfügungsantrag ist als unzulässig zurückzuweisen. Das Vorgehen der Verfügungsklägerin erweist sich als rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 Satz 1 UWG).
I. Der Senat legt der Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens folgenden Geschehensablauf zugrunde:
- Die Verfügungsklägerin beantragte zunächst beim LG Hagen den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die C KG. Gegenstand des beim LG Hagen unter der Geschäftsnummer 23 O 25/15 geführten Verfahrens waren u.a. die - von der Verfügungsklägerin auch im vorliegenden Verfahren in der ersten Instanz beanstandeten - Kennzeichnungen von Briefkästen mit den Werbeaussagen "umweltfreundlich produziert" und "geprüfte Qualität". Die mündliche Verhandlung vor der beim LG Hagen mit der Sache befassten Kammer für Handelssachen fand am 03.06.2015 statt. In der mündlichen Verhandlung wies die Kammer darauf hin, dass sie die beiden oben genannten Produktkennzeichnungen für wettbewerbswidrig halte. Am 10.07.2015 verkündete das LG Hagen sodann ein Urteil mit einem dem in der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2015 erteilten Hinweis entsprechenden Inhalt.
- Ab dem 04.06.2015 - mithin dem Tag nach der mündlichen Verhandlung vor dem LG Hagen - führte die Verfügungsklägerin nach eigenen Angaben "Marktsichtungen" durch. Noch am 04.06.2015, bei dem es sich in Nordrhein-Westfalen um einen gesetzlichen Feiertag (Fronleichnam) handelte, fand nach den Angaben der Verfügungsklägerin eine Besprechung zwischen ihrem Geschäftsführer und ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten statt. Am Freitag, dem 05.06.2015, übersandten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin dieser eine E-Mail (Anlage FN13 [= Blatt 104-108 der Gerichtsakte] sowie Anlage AG17), die unter Bezugnahme auf die Besprechung vom Vortage eine Liste von (mindestens) 50 Unternehmen enthielt, welche Briefkästen des Herstellers "C KG" mit den oben beschriebenen Kennzeichnungen vertrieben. Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin antwortete hierauf am Montag, dem 08.06.2015, mit einer E-Mail (Anlage FN13 [=Blatt 104 der Gerichtsakte] sowie Anlage AG17), in der es u.a. hieß: "(...) zunächst einmal möchte ich mich für Ihr schnelles Tätigwerden bei Ihnen bedanken. Wie besprochen, gehen Sie bitte gegen sämtliche Händler vor, die ebenfalls mit den beiden Verstößen auffallen. (...)".
- Unter dem 12.06.2015 übersandten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin dieser eine Vorschussrechnung über 35.700,00 EUR brutto (Anlage FN14a = Blatt 109 der Gerichtsakte), die den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit - ohne Nennung konkreter Abmahngegner - lediglich pauschal mit den Worten "Abmahnung Briefkastenverkäufer betreffend C X Ware, Ihr Auftrag vom 08.06.2015" bezeichnete. Eine entsprechende Zahlung der Verfügungsklägerin ging am 18.06.2015 auf dem Bankgirokonto ihrer Prozessbevollmächtigten ein (vgl. Anlage FN14b = Blatt 110 der Gerichtsakte).
- Spätestens am 23.06.2015 begannen die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin in deren Namen mit dem Versand von Abmahnungen an Verkäufer von "C"-Briefkästen. In diesen Abmahnungen wandte die Verfügungsklägerin sich jeweils gegen das Angebot von Briefkästen, die mit den Werbeaussagen "umweltfreundlich produzie...