Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann eine oder mehrere "Angelegenheiten" i.S.d. § 13 BRAGO vorliegen.
Normenkette
BRAGO § 13 Abs. 1; RVG § 15
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 12.12.2011; Aktenzeichen 6 O 96/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.12.2011 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.853,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 29.12.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 58 % und der Beklagte zu 42 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin mandatierte den beklagten Rechtsanwalt im Jahre 2003 in einer Nachlassangelegenheit. Sie verlangt von ihm die Auszahlung von Fremdgeld. Der Beklagte verteidigt sich mit gegenläufigen Honorarforderungen.
Die Klägerin war von ihrem Ehemann I aus P durch öffentliches Testament zur Vorerbin seines Nachlasses eingesetzt worden. Zu Nacherben hatte Herr I seine Söhne aus erster Ehe eingesetzt und zudem angeordnet, dass für die Dauer der Vorerbschaft die Rechte der Nacherben durch einen Testamentsvollstrecker wahrgenommen werden sollten.
I verstarb am 2.1.2003. Sein Nachlass hatte einen Wert von mindestens 1,5 Mio. EUR. Dazu zählten Geschäftsanteile an der C GmbH, die vier Spielhallen in P betrieb. Die Klägerin konnte das Unternehmen nicht fortführen und strebte die Veräußerung der Geschäftsanteile sowie weiterer Nachlassgegenstände an.
Auf Empfehlung eines Verwandten beauftragte die Klägerin den in X4 als Rechtsanwalt ansässigen Beklagten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen.
Der Beklagte führte am Sonntag, dem 9.3.2003, in P eine Besprechung mit der Klägerin an deren Stiefsöhnen durch, bei der es um die Feststellung des Nachlasses und die Möglichkeit dessen einvernehmlicher Aufteilung ging. Eine solche gütliche Auseinandersetzung scheiterte jedoch. Ein zusätzliches Konfliktpotential ergab sich durch den eingesetzten Testamentsvollstrecker, wobei die ersten beiden mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betrauten Rechtsanwälte von dem Nachlassgericht aus dem Amt entlassen werden mussten.
In der Folgezeit war der Beklagte für die Klägerin damit befasst, die Geschäftsanteile der C GmbH zu veräußern. Dazu führte der Beklagte in P mehrere Gespräche mit Interessenten und korrespondierte zudem mit den Vermietern der vier Spielhallen. Um den Geschäftsbetrieb zwischenzeitig aufrecht zu erhalten, übertrug der Beklagte dem bisherigen Teilhaber - Herrn L - die kommissarische Geschäftsleitung. Der Beklagte veräußerte die Geschäftsanteile schließlich für 300.000 EUR. Zudem wies der Beklagte den Steuerberater der C GmbH auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hin, woraus sich ergab, dass der Betrieb der Spielhallen in den zurückliegenden Jahren umsatzsteuerfrei gewesen war. Daraus ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuerrückzahlung i.H.v. 222.036,42 EUR.
Des Weiteren war der Beklagte im Auftrag der Klägerin mit der Veräußerung eines Fahrzeugs und der Gesamthandsbeteiligung an einem Flugzeug vom Typ Cessna befasst. Überdies musste das vorhandene Bankvermögen ermittelt und der in Deutschland sowie auf Gran Canaria vorhandene Grundbesitz festgestellt werden. Der Klägerin war der genaue Nachlassbestand deshalb nicht geläufig, weil ihr verstorbener Ehemann mit einer Frau I4 zusammengelebt hatte. Insofern wurde die Klägerin gewahr, dass ihr Ehemann für Frau I4 ein Wohnrecht an der auf Gran Canaria gelegenen Eigentumswohnung bestellt hatte. Der Beklagte beauftragte den in G ansässigen Rechtsanwalt M mit der Prüfung der nach spanischem Recht zu beurteilenden Rechtslage; zudem beauftragte der Beklagte eine in Spanien lebende Bekannte der Klägerin - Frau C5 - mit der Überprüfung der Immobilie bzw. mit der Abklärung dortiger Bankangelegenheiten.
Der Beklagte legte bei der Sparkasse X4 ein Anderkonto für die Klägerin an, auf dem insbesondere der Kaufpreis für die Veräußerung der Geschäftsanteile i.H.v. 300.000 EUR gutgeschrieben wurde nebst Bargeldbeständen aus den Spielhallen in einer Größenordnung von 56.000 EUR sowie Umbuchungen von Konten der W i.H.v. 60.000 EUR. Der frühere Teilhaber des Verstorbenen - Herr L - erhielt eine Auszahlung von 100.000 EUR. Die Klägerin selbst bekam 245.000 EUR überwiesen. Über die einzelnen Kontobuchungen verhält sich ein Abrechnungsbogen des Beklagten vo...