Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstandspflichten eines Geburtshauses für schuldhafte Vertragsverletzung des die Entbindende begleitenden Arztes

 

Normenkette

BGB § § 823 ff., § 847

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 15.08.2002; Aktenzeichen 4 O 441/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.8.2002 verkündete Teilversäumnisurteil und Urteil der 4. Zivilkammer des LG Arnsberg in Bezug auf die Beklagte zu 2) und im Kostenpunkt teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird als Gesamtschuldnerin neben dem bereits verurteilten Beklagten zu 1) verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 260.000 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 1.7.1997 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldnerin neben dem verurteilten Beklagten zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen immateriellen Schäden sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die aus der fehlerhaften Behandlung im Zusammenhang mit der Geburt des Klägers vom 5.1.1997 entstanden sind bzw. entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen und die weiter gehende Klage ggü. der Beklagten zu 2) bleibt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz je zu 1/2, ferner die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) und 4) sowie 6/16 seiner eigenen außergerichtlichen Kosten.

Der Beklagte zu 1) trägt 1/4 der Gerichtskosten erster Instanz, seine eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 1/16 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Beklagte zu 2) trägt 1/4 der Gerichtskosten erster Instanz, 1/2 der Gerichtskosten zweiter Instanz sowie die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens. Ferner trägt sie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten und 9/16 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 2) darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der am 5.1.1997 im Geburtshaus S. geborene Kläger hat ursprünglich die Beklagten zu 1) bis 4) auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Geburtshilfe in Anspruch genommen. Der frühere Beklagte zu 1) (nachfolgend Dr. P.) war als Gynäkologe in S. niedergelassen und betreute die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft. Dr. P., der schon vor dieser Geburt gelegentlich in Notfällen für das Geburtshaus S. tätig geworden war, war auch an der Geburt des Klägers unmittelbar beteiligt. Eine Versicherung des Geburtshauses für ärztliche Geburtshelfer außerhalb von Notfalltätigkeiten bestand nicht. Über diesen Umstand wurde nicht mit den Eltern des Klägers gesprochen. Die Beklagte zu 2) (nachfolgend: die Beklagte), gegen die sich jetzt nur noch das Verfahren richtet, ist Hebamme und betreibt seit 1994 das Geburtshaus S. Der frühere Beklagte zu 3) - der Ehemann der Beklagten und Zeuge Dr. D. - ist Facharzt für Anästhesiologie und führt den Titel "Dr. in Medizin, Heilkunde und Geburtshilfe". Er betreibt im gleichen Gebäude mit dem Geburtshaus eine eigene Praxis sowie ein Zentrum für ambulante Operationen, in dessen Räumen andere Ärzte aufgrund von Vereinbarungen operative Eingriffe vornehmen können, so auch der Gynäkologe Dr. P. Die frühere Beklagte zu 4) war ebenfalls als Hebamme im Geburtshaus tätig.

Nach Feststellung der Schwangerschaft wurde die Mutter des Klägers gynäkologisch von Dr. P. betreut und war bereits seit Mai 1996 wiederholt im Geburtshaus bei der Beklagten. Am 26.11.1996 stellte Dr. P. einen Einweisungsschein "zur Verordnung von Krankenhausbehandlungen" aus, mit dem die Mutter des Klägers sich am selben Tage in dem Geburtshaus der Beklagten anmeldete und dort die "Anmeldung zur ambulanten Geburt" unterzeichnete. Darin sind als betreuende Hebamme die Beklagte und als betreuender Arzt Dr. P. aufgeführt. Daneben ist auch das gewünschte Krankenhaus für den Fall des Abbruchs der ambulanten Geburt bzw. einer sectio sowie das Einverständnis enthalten, dass die Kindesmutter bei Bedarf in ein Krankenhaus verlegt wird und die Entscheidung zur stationären Einweisung von der Hebamme bzw. dem zu Rate gezogenen Arzt getroffen wird.

In dem Prospekt des Geburtshauses der Beklagten, den die Eltern des Klägers unstreitig von ihr erhalten hatten, heißt es u.a.:

"Das Geburtshaus S. hat einen Weg gefunden, ... technische und menschliche Obhut miteinander zu verbinden: Schwangere, die eine unkomplizierte Geburt erwarten, haben alle Freiheiten zur Selbstbestimmung des Geburtsvorganges. Andererseits haben sie aber auch die Gewissheit, dass alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen für eventuelle Risikofälle bereitgehalten werden. ....

... Auch bei allen Alternativen werden keinesfalls die Sicherheit oder ärztliche Betreuung außer Acht gelassen: Ein Team von...

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