Leitsatz (amtlich)
1. Wenn eine Reserveursache vorliegt, ist nur der Schaden zu ersetzen, der darin besteht, dass das Rechtsgut zeitlich früher als durch die Reserveursache verletzt worden ist (hier früherer Eintritt eines Bandscheibenvorfalls).
2. Der Schädiger ist für den Umfang der Ersparnis beweispflichtig, wobei § 287 ZPO anwendbar ist. Den Geschädigten trifft ggfls. eine sekundäre Darlegungslast.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 181/15) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11.11.2016 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte bleibt verurteilt, an das klagende Land 9.058,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2014 zu zahlen.
Es bleibt festgestellt, dass die Forderung des klagenden Landes gegen den Beklagten i.H.v. 9.043,25 EUR auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen das klagende Land zu 55% und der Beklagte zu 45%.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Beklagten hat nach erfolgter Teilrücknahme Erfolg.
1. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass dem klagenden Land gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht ein Anspruch auf Zahlung von 9.058,25 EUR (anteilige fortgezahlte Dienstbezüge nebst Zulage bis einschließlich 12.05.2013, Heilbehandlung bis zur stationären Aufnahme zur Durchführung der Bandscheibenoperation) sowie weitere 15 EUR (Reinigungskosten Dienstkleidung) jeweils nebst Zinsen zusteht und soweit festgestellt ist, dass die Forderung des klagenden Landes gegen den Beklagten i.H.v. 9.043,25 EUR auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht, steht das angefochtene Urteil nach erfolgter Teilrücknahme der Berufung nicht mehr zur Überprüfung durch den Senat.
2. Ersatz des darüber hinausgehend geltend gemachten Betrages von insgesamt 10.855,70 EUR (anteilige fortgezahlte Dienstbezüge nebst Zulage ab dem 13.05.2013, stationäre Heilbehandlung zur Durchführung der Bandscheibenoperation, Rehabilitation) steht dem klagenden Land nicht zu, insoweit war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Dem klagenden Land steht gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht zwar ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 81 S.1 LBG NRW i.V.m. §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2, S. 1, 252 BGB zu. Denn der Beklagte hat Polizeikommissar X vorsätzlich körperlich in einer Weise verletzt, dass dessen Dienstfähigkeit zeitweise aufgehoben war und Heilbehandlungskosten aufgewendet werden mussten. Die mit dem Berufungsverfahren noch im Streit stehenden Kosten in Höhe von 10.855,70 EUR sind nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung jedoch nicht zu ersetzen.
a) Der Beklagte hat Polizeikommissar X bei dem Einsatz am 23.02.2013 einen Faustschlag in Richtung der Genitalien versetzt und diesen in der Becken- bzw. Leistengegend getroffen. Der Geschädigte erlitt infolge des Schlages u.a. Hämatome in der Leistengegend. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz ist zudem überwiegend wahrscheinlich, dass infolge der reflexhaften Ausweichbewegung des Geschädigten dessen vorhandener Bandscheibenvorfall (Prolaps) im Bereich des Lendenwirbelkörpers/Steißbeinkörpers (L5/S1) reaktiviert wurde.
aa) Dass der vorsätzlich und - trotz Alkoholisierung - schuldhaft handelnde Beklagte gegen den Geschädigten bei dem Einsatzgeschehen einen Faustschlag in Richtung der Genitalien gerichtet und diesen in der Becken- bzw. Leistengegend getroffen hat, stellt der Beklagte mit der Berufung unstreitig.
bb) Der geschädigte Polizeikommissar X wurde infolge des Faustschlages im Bereich der Leisten- bzw. Beckengegend getroffen. Er hat sich - was bereits erstinstanzlich unstreitig geblieben ist - unter anderem an der rechten Leiste Hämatome zugezogen. Aus der im schriftlichen Gutachten zitierten ärztlichen Bescheinigung der Gemeinschaftspraxis Dres. med. T und T2, Fachärzte für Allgemeinmedizin, I, vom 16.05.2013 geht die am 25.02.2013 erhobene Diagnose hervor: "Es fand sich eine Schnittverletzung am linken Zeigefinger, Hämatome an der rechten Leiste und am rechten Oberschenkel und eine LWS-Zerrung."
cc) Im Ergebnis ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte dem Grunde nach für die eingetretenen weiteren gesundheitlich nachteiligen Folgen (hier: der Reaktivierung des vorhandenen Bandscheibenvorfalls L5/S1) haftet.
(1) Das klagende Land ist mit dem Maßstab des § 286 ZPO beweispflichtig dafür, dass der Geschädigte bei dem Geschehen eine körperliche Verletzung erlitten hat und dass dieser diese ohne das Geschehen nicht erlitten hätte. Insoweit ist zwar keine absolute Gewissheit erforderlich, aber ein für das praktische Leben brauchbar...