Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung, dass der Beklagte auf seinem Grundstück eine Baulast für den Bau einer Windkraftanlage auf dem Grundstück des Klägers übernehmen soll, kann bezüglich des Begriffs Baulast unterschiedliche Bedeutung haben. Wenn die Auslegung der Willenserklärungen der Parteien ergibt, dass der Begriff der Baulast objektiv mehrdeutig ist und von den Parteien unterschiedlich verstanden worden ist, dann liegt ein Fall des versteckten Dissenses in der Form des Scheinkonsenses vor.

2. Der Begriff der Baulast ist für sich betrachtet nicht eindeutig, denn es gibt verschiedene Arten von Baulasten, die damit gemeint sein können, z.B. eine Stellplatzbaulast, eine Erschließungsbaulast, eine Abstandsflächenbaulst oder eine Vereinigungsbaulast.

 

Normenkette

BGB §§ 585, 585 Abs. 1 S. 1, §§ 280-281, 283, 154

 

Verfahrensgang

AG Brilon (Urteil vom 15.01.2016; Aktenzeichen 6 Lw 26/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 15.01.2016 verkündete Urteil des AG Brilon - Landwirtschaftsgericht wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten des Streithelfers werden dem Kläger auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen einer nicht erfüllten Verpflichtung zur Gewährung einer Baulast für die Errichtung einer Windkraftanlage.

Der Kläger ist Architekt und beteiligt sich an der Projektierung von Windkraftanlagen (WKA). Der Beklagte ist Landwirt und Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen in der Gemeinde N. Der Streitverkündete ist Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom 09.12.1996 gegründeten Windpark O GmbH (im Folgenden: O GmbH). Diese betreibt in N einen Windpark und schloss zu diesem Zweck gemeinsam mit der Windpark O Verwaltungs-GmbH im Jahr 1999 mit einigen Grundstückseigentümern in der Gemeinde einen "Nutzungsvertrag", der die Gestattung der Nutzung von deren Grundstücken für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen zum Gegenstand hat.

Im Jahr 2012 beabsichtigte der Kläger am Standort Gemeinde N, Gemarkung N, Flur X eine WKA zu errichten, nachdem ihm dort Grundstücke zum Kauf angeboten worden waren. Mit notariellem Kaufvertrag vom 14.05.2012 (Bl. 57 ff d.A.) erwarb er das Flurstück X und mit notariellem Kaufvertrag vom 15.06.2012 (Bl. 66 ff d.A.) das Flurstück X. Die verkaufenden Eigentümer hatten seinerzeit keinen Nutzungsvertrag mit der O GmbH geschlossen.

Das auf der Westseite angrenzende Flurstück X stand zum damaligen Zeitpunkt im Eigentum des Beklagten. Der Beklagte hatte mit Datum vom 19.03.1999/26.03.1999 einen Nutzungsvertrag über dieses Flurstück (und über weitere Flurstücke) mit der O GmbH geschlossen (Anl. B1). Ob dem Kläger dies sowie der genaue Inhalt des Nutzungsvertrags bekannt waren, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig ist, dass der Kläger Gründungsgesellschafter der O GmbH war und bis zum Jahr 2000 an dieser beteiligt war.

Die Errichtung einer WKA am Standort N setzt eine Genehmigung nach § 4, 6 BImSchG voraus. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens prüft die Immissionsschutzbehörde u.a., ob dem Vorhaben bauordnungsrechtliche Belange entgegenstehen. Der Kläger beabsichtigte, den Mast der WKA auf dem Flurstück X zu platzieren. Wegen des schmalen Zuschnitts des Grundstücks und der von dem Kläger geplanten Höhe der WKA waren die bauordnungsrechtlich vorgesehenen Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken X (Eigentum des Klägers) und X (Eigentum des Beklagten) nicht eingehalten. Der Kläger benötigte daher zur Erlangung der Baugenehmigung die Bewilligung einer öffentlich-rechtlichen Baulast durch den Beklagten. Zudem sollten die Rotorblätter der WKA über das Grundstück des Beklagten streichen. Ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt dies dem Beklagten bekannt war, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 08.06.2012 unterzeichneten der Kläger und der Beklagte eine von dem Kläger vorformulierte "Vereinbarung" mit folgendem Inhalt (Anl. K2, Bl. 16 d.A.):

Herr V übernimmt eine Baulast auf dem Grundstück Gemarkung N - Flur X - Flurstück X für den Bau einer WKA auf dem Nachbargrundstück Flur X - Flurstück X.

Die Grundstücke Gemarkung N Flur X - Flurstücke X und X befinden sich im Eigentum von Herrn K.

Als Gegenleistung für die Übernahme einer Baulast durch Herrn V verpflichtet sich Herr K seine Flurstücke an Herrn V kostenlos zu verpachten solange Herr V die Landwirtschaft auf diesen Flächen betreibt.

Sollte Herr V diese Flächen nicht mehr bewirtschaften kann Herr K seine Flächen an andere Landwirte weiter verpachten.

Ab diesem Zeitpunkt erhält Herr V eine Jahrespacht für die Baulast i.H.v. 1.000 Euro.

Die Pachtzahlung endet mit der Stilllegung und Abbau d...

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