Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 530/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger werden das am 1. Juni 2022 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld und das Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Über die Kosten des Rechtsstreits - auch der Kosten der Berufungsinstanz - soll das Landgericht Bielefeld entscheiden.

Das angefochtene und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen machen gegen die Beklagten Ansprüche aus übergegangenem Recht nach einem Verkehrsunfall geltend.

Der am 00.00.1945 geborene Geschädigte Herr Q. R. (im Folgenden: Versicherter) war bis zu seinem Tod bei der Klägerin zu 1) kranken- und bei der Klägerin zu 2) pflegeversichert. Am 00.00.2016 ereignete sich in E. ein zwischen den Parteien unstreitiger Verkehrsunfall. Hierbei übersah der Beklagte zu 1) während eines Überholvorgangs mit seinem Pkw Audi, amtl. Kennzeichen N01, versichert bei der Beklagten zu 2), den auf einem Kleinkraftrad, Versicherungskennzeichen N02, fahrenden Versicherten und kollidierte mit diesem. Der Versicherte erlitt infolge des Unfalls diverse Verletzungen. In der Folge des Unfalls bezahlten die Klägerinnen diverse medizinische und pflegerische Leistungen (Anlagenkonvolute 7 und 8, s. Bl. 118 ff., 140 ff., 519 ff. d.A.) auf der Grundlage verschiedenen Diagnosen verschiedener Leistungserbringer.

Im Streit steht zwischen den Parteien die Höhe der Ansprüche der Klägerinnen sowie deren Darlegungs- und Substantiierungspflicht im Prozess.

Die Klägerinnen haben behauptet, es läge ein bezifferter Anspruch i.H.v. 60.982,13 EUR (Klägerin zu 1) und 4.223,25 EUR (Klägerin zu 2) vor, der vollständig von den Beklagten ersetzt werden müsse. Dies ergebe sich aus den zur Klageschrift gereichten Anlagen (siehe u.a. Bl. 519 ff. d.A.). Die Beklagten müssten für sämtliche (weiteren) Schäden haften, da sämtliche abgerechnete Schadenspositionen auf das Unfallereignis bzw. die dadurch verursachten Verletzungen zurückzuführen seien. Eine Verschlimmerung von Vorschäden, unter denen der Versicherte im Übrigen überhaupt nicht gelitten habe, reiche aus. Es seien keine Behandlungen nach dem Unfall fortgesetzt worden, die nicht aufgrund des Unfalls eingetreten seien.

Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, für die Behauptung, dass die abgerechneten Heilbehandlungskosten auf den Vorschäden beruhen, liege die Beweislast bei den Beklagten. Es handele sich in diesem Fall um eine Reserveursache. Für die Beweisführung der Klägerinnen reiche es, wenn eine tabellarische Übersicht der Schadensposten unter Beifügung entsprechender Ausdrucke der übermittelten Rechnungsdaten vorgelegt werde. Dies sei auch deswegen der Fall, weil es sich um öffentliche Urkunden handele und insofern die §§ 415 ff. ZPO Anwendung finde. Im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG sei von überzogenen Darlegungsanforderungen nichts zu halten, es stünden schlicht verfassungsrechtliche Gründe entgegen. Weiterer Vortrag sei offenkundig für die Beweiserhebung nicht nötig.

Die Beklagten haben behauptet, eine Diagnose des Klinikums E. enthalte neben unfallbedingten Primärverletzungen des Versicherten auch unfallfremde Beeinträchtigungen. Aus den mit der Klage vorgelegten Abrechnungen und schlichten Abrechnungsbögen würden sich weitere Diagnosen ergeben, die behandelt worden seien, aber keinen Unfallbezug hätten. Es handele sich in diesem Zusammenhang gerade nicht um Reserveursachen. Die Beklagten bringen etwa den Verschluss und die Stenose der Aorta carotis an und sowie weitere degenerative sonstige Beeinträchtigungen (angeborene solitäre Nierenzyste, Osteochondrose der Wirbelsäule im Lumbosakralbereich, primär insulinabhängige Diabetes mellitus, Bluthochdruck, diabetische Polyneuropathie, chronisch kongestive Splenomegalie (Milzvergrößerung), Bl. 472 d.A.). Wenn aber der Versicherte zum Unfallzeitpunkt bereits behandlungsbedürftig gewesen sei und die Klägerin zu 1) diese Leistungen im Rahmen ihrer Leistungspflicht als gesetzliche Krankenversicherung des Versicherten übernommen und fortgesetzt habe, führe dies nicht automatisch dazu, dass diese Leistungen im geltend gemachten Umfang von den Beklagten zu ersetzen seien. Gleiches gelte im Übrigen für Leistungen der Klägerin zu 2), da die erheblichen unfallfremden Beeinträchtigungen durchaus eine gewisse Pflegebedürftigkeit des Versicherten begründen würden.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die Klägerinnen hätten, da sie aus übergegangenem Recht Ansprüche ihres Versicherten geltend machten, Darlegungs- und Nachweispflichten wie der Versicherte selbst. Insofern sei erforderlich, dass jeweils im Detail vorgetragen werde, welche Verletzungen eingetreten seien, wie lange diese angedauert hätten, in welchem Umfang deshalb Beha...

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