Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bindung des Unfallversicherers an Anerkenntnis nach § 11 AUB
Leitsatz (amtlich)
Im Rechtsstreit ist der Unfallversicherer an sein gem. § 11 AUB gegebenes Anerkenntnis nicht gebunden.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 05.11.2003; Aktenzeichen 4 O 29/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.11.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Paderborn abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages beibringt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer am 14.1.1998 genommenen Unfallversicherung (Nr. ...) auf Zahlung einer Unfallrente in Anspruch.
Vereinbart sind die AUB 94 sowie die "Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfall-Rente bei einem Invaliditätsgrad ab 50 %". Die Invaliditätssumme ist mit 50.000 DM vereinbart. Bei einem Invaliditätsgrad ab 50 % ist überdies die Zahlung einer monatlichen Unfall-Rente i.H.v. 1.500 DM vereinbart.
Die Parteien streiten bei unstreitigem Unfallgeschehen über den Grad der Invalidität. Der Unfall ereignete sich am 19.4.1999; der Kläger stürzte aus einer Höhe von 3 Metern von einer Leiter und erlitt folgende Verletzungen:
- Hüftgelenkspfannenbruch rechts
- körperferne Speichenfraktur rechts
- vordere Beckenringfraktur
- Nasenbeinfraktur.
Unstreitig sind Dauerschäden im Bereich des rechten Beins und des rechten Arms.
Die Beklagte holte vorprozessual ein unfallchirurgisches Gutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 18.5.2002 ein, der die unfallbedingte Invalidität nach der Gliedertaxe mit 3/10 Armwert rechts und 4/10 Beinwert rechts einschätzte. Auf dieser Basis einer Gesamtinvalidität von 49 % erstattete die Beklagte einen Betrag von 12.544 Euro als Invaliditätsentschädigung. Die Zahlung einer Unfallrente lehnte sie ab.
Der Kläger, der von einer Gesamtinvalidität von mindestens 60 % ausgeht, hat die Beklagte auf Zahlung einer Unfall-Rente i.H.v. 766,94 Euro monatlich ab Mai 1999 nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Er hat behauptet, er sei aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer Person mit einer Doppeloberschenkelamputation gleichzustellen.
Das LG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme (Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. vom 3.7.2003 nebst mündlicher Ergänzung vom 5.11.2003) dem Klageantrag entsprochen.
Auf den Inhalt des am 5.11.2003 verkündeten Urteils wird auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz Bezug genommen.
Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an. Sie behauptet, das LG habe die unfallbedingte Gesamtinvalidität des Klägers mit 50 % zu hoch eingeschätzt. Der Sachverständige Prof. Dr. K. und ihm folgend das LG seien von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen; der Kläger habe bei der Untersuchung durch den Sachverständigen seine Leiden übertrieben dargestellt. Tatsächlich könne der Kläger, anders als von ihm vorgegeben, sein rechtes Bein belasten; auch seien sein rechter Arm und die rechte Hand nur unwesentlich beeinträchtigt, wie aus den vom Sachverständigen festgestellten gleichmäßigen Gebrauchsspuren an beiden Händen und der im Vergleich zum linken Arm stärker ausgeprägten Muskulatur des rechten Arms abzuleiten sei. Die Beklagte beruft sich zum Beweis dafür, dass der Kläger entgegen seiner Prozessbehauptung sein rechtes Bein tatsächlich gebrauche und belaste, auf den Zeugen L., der den Kläger nach Abschluss der ersten Instanz beobachtet und seine Beobachtungen in einem Videofilm festgehalten hat.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 47.550,28 Euro nebst Zinsen zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine monatliche Rente i.H.v. 766,94 Euro beginnend mit dem 1.7.2004 zu zahlen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er bestreitet, dass er sein rechtes Bein belaste und aktiv führe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen. Wegen der Höhe der beantragten Zinsen wird auf die Aufstellung im Antrag zu 2) des Schriftsatzes vom 9.6.2004 Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben und den Zeugen L. zu seinen Beobachtungen dazu befragt, wie der Kläger sich bewege, wenn er sich unbeobachtet von Sachverständigen fühle.
Der von dem Zeugen L. gefertigte Videofilm wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeinsam mit dem Sachverständigen Prof. Dr. K. und dem Zeugen L. in Augenschein genommen. Gegenstand der Videoaufnahmen waren der Gang des Klägers vom Parkplatz des Kurhauses in Bad W. zum Kurhaus und zurück zum Pkw am 10.3.2004, der Gang des Klägers vom Parkplatz der He...