Leitsatz (amtlich)

1. Es widerspricht dem Leitbild der Vollkaskoversicherung und benachteiligt den Fahrzeugmieter unangemessen, dem berechtigten, aber nicht mitversicherten Fahrer, der weder am Abschluss des Versicherungsvertrages mitgewirkt hat noch sonstige Kenntnis von seinem Inhalt hatte, Obliegenheiten aufzuerlegen und an deren grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung durch den berechtigten Fahrer Sanktionen im Hinblick auf die vereinbarte Haftungsfreistellung insgesamt zu knüpfen.

2. Die Inanspruchnahme des Mieters für eine fahrlässige Unfallverursachung durch den anschließend sich unerlaubt vom Unfallort entfernenden berechtigten Fahrer benachteiligt den Mieter unangemessen, weil nach der Regelung in A. 2.8 AKB im Rahmen der Vollkaskoversicherung ein Regress ausscheidet.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1, S. 1, § 823 Abs. 1; StGB § 142; VVG § 28 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 114/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.08.2018 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 750,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.06.2017 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als berechtigte Fahrerin eines gemieteten Kraftfahrzeuges nach Beschädigung desselben auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Mit Vertrag vom 24.05.2016 (Anlage K 1, Bl. 41 GA) mietete Herr N (im Weiteren: Mieter) von der Klägerin einen Opel-Movano-Transporter für die Zeit von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr desselben Tages. Hierbei vereinbarten die Mietvertragsparteien eine Berechtigung der als 2. Fahrerin in dem Vertrag eingetragenen Beklagten zum Führen des Kraftfahrzeuges wie auch eine Haftungsbeschränkung mit Selbstbeteiligung i.H.v. 750,00 EUR. Die in dem Vertrag ausdrücklich in Bezug genommenen und zum Vertragsinhalt gemachten Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin (überreicht als Anlage K 2, Bl. 42 ff. GA), welche in ausgedruckter Form auf dem Anmiet-tresen in der Vermietstation auslagen, enthielten hierzu folgende Regelungen:

"G: Unfälle, Diebstahl, Anzeigepflicht, Obliegenheiten

Nach einem Unfall, Diebstahl, Brand, Wild- oder sonstigen Schaden hat der Mieter oder der Fahrer unverzüglich die Polizei zu verständigen und hinzuzuziehen; insbesondere den Schaden bei telefonischer Unerreichbarkeit der Polizei an der nächst gelegenen Polizeistation zu melden. Dies gilt auch dann, wenn das Mietfahrzeug gering beschädigt wurde, und auch bei selbstverschuldeten Unfällen ohne Mitwirkung Dritter.

Bei jeglicher Beschädigung des Fahrzeugs während der Mietzeit ist der Mieter verpflichtet, die Vermieterin unverzüglich über alle Einzelheiten des Ereignisses, das zur Beschädigung des Fahrzeuges geführt hat, schriftlich zu unterrichten. (...)

Der Mieter oder Fahrer haben alle Maßnahmen zu ergreifen, die der Aufklärung des Schadensereignisses dienlich und förderlich sind. Dies umfasst insbesondere, dass sie die Fragen der Vermieterin zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, bevor die erforderlichen und insbesondere für die Vermieterin zu Beurteilung des Schadensgeschehens bedeutsamen Feststellungen getroffen werden konnten bzw. ohne es der Vermieterin zu ermöglichen, diese zu treffen.

I: Haftung des Mieters

(...)

Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgeltes auszuschließen. Eine solche vertragliche Haftungsfreistellung entspricht dem Leitbild einer Vollkaskoversicherung. In diesem Fall haften der Mieter sowie die in den Schutzbereich der vertraglichen Haftungsbefreiung einbezogenen Fahrer für Schäden bis zu einem Betrag in Höhe des vereinbarten Selbstbehalts; ein Anspruch auf eine vertragliche Haftungsfreistellung besteht nicht, wenn der Schaden vorsätzlich herbeigeführt wurde. Wurde der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt, ist die Vermieterin berechtigt, ihre Leistungsverpflichtung zu Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Ein Anspruch auf eine vertragliche Haftungsbefreiung besteht des Weiteren nicht, wenn eine vom Mieter bzw. Fahrer zu erfüllende Obliegenheit, insbesondere nach lit. G dieser Allgemeinen Vermietbedingungen, vorsätzlich verletzt wurde. Für den Fall einer grob fahrlässigen Verletzu...

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