Leitsatz (amtlich)

1. Sind in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig - nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten -, kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an.

2. Der auf Vorlage der Verwaltungsvorgänge gerichtete Beweisantrag nach § 421 BGB des in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherers scheitert daran, setzt voraus, dass diesem ein dahingehender materiell-rechtlicher Anspruch zusteht.

 

Normenkette

BGB §§ 195, 199; SGB X § 119; ZPO §§ 421 ff.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 14.07.2015; Aktenzeichen 2 O 378/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.07.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als gesetzlichen Rentenversicherer des Geschädigten H aus übergegangenem Recht in Anspruch.

Der am ...1958 geborene Geschädigte wurde bei einem vom Beklagten zu 2) unstreitig allein verursachten Verkehrsunfall am 12.06.2003 verletzt.

Er stürzte bei dem Versuch, dem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten und vom Beklagten zu 2) gesteuerten Lkw, der sein Vorfahrtsrecht missachtete, auszuweichen, mit seinem Motorroller auf die linke Schulter.

Hierbei zog er sich, wie erst später festgestellt werden konnte, eine Subluxation des posterioren Labrums nach dorso-median sowie eine bagatelle Ruptur der Rotatorenmanschette zu.

Infolge dieser Verletzung war der Geschädigte nicht mehr in der Lage, seine Arbeit als Holzarbeiter im G GmbH & Co. KG weiterhin auszuüben, wo er zuvor 26 Jahre lang gearbeitet hatte. Die Klägerin bezahlte zunächst eine in der Zeit vom 11.02. bis zum 10.03.2004 stattfindende Rehamaßnahme, ferner gewährte sie dem Geschädigten jährliche Leistungen in Höhe von 6.239,84 Euro.

Mit Schreiben vom 06.06.2005 machte die Klägerin erstmals Regressansprüche gegenüber der Beklagten zu 1) dem Grunde nach geltend. Die Beklagte zu 1) erstattete sämtliche, von der Klägerin für die Zeit bis zum 31.12.2007 erbrachten Leistungen vollständig.

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin einen Schaden in Gestalt unfallbedingt ausgefallener Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.03.2015 in Höhe von insgesamt 44.056,44 Euro geltend und begehrt die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner für weitere Schäden haften.

Der Geschädigte einigte sich mit Vereinbarung vom 01.04.2009 über eine Abfindung seiner Schmerzensgeld- und Verdienstausfallanspüche mit der Beklagten zu 1).

In der Vereinbarung heißt es u.a., dass die Parteien davon ausgingen, dass der Geschädigte seine Berufstätigkeit bei der Firma G oder einem anderen Unternehmen bis zum 56. Lebensjahr hätte ausüben können.

Die Klägerin hat behauptet, der Geschädigte sei unfallbedingt dauerhaft arbeitsunfähig mit der Folge, dass sie in der Vergangenheit Leistungen für diesen erbracht habe und auch in der Zukunft werde erbringen müssen. Ihre Forderung sei nicht verjährt, weil die für Regresse zuständige Rechtsabteilung der Klägerin von dem Vorgang erst durch Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 31.05.2005 Kenntnis erlangt habe. Auch sei die Verjährung aufgrund ihrer Forderungsanmeldung vom 06.06.2005 bis zur endgültigen Entscheidung der Beklagten zu 1) über die Entschädigungsansprüche mit Schreiben vom 11.10.2011 gehemmt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 44.056,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 24.592,21 Euro seit dem 25.11.2011 sowie auf einen weiteren Betrag in Höhe von 19.464,23 Euro seit dem 12.04.2015 an sie zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, gegenüber der Klägerin sämtliche auf diese gemäß den §§ 116, 119 SGB X übergegangenen oder übergehenden Schadensersatzansprüche aus dem Schadensereignis vom 12.06.2003 zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben und behauptet, die Klägerin müsse bereits aufgrund der im Jahre 2004 an den Geschädigten erbrachten Leistungen für die Reha-Maßnahme in Kenntnis von der Regressmöglichkeit gewesen sein. Sie sind der Auffassung gewesen, eine endgültige Bescheidung der Ansprüche der Klägerin bereits mit zwei im Jahre 2008 ergangenen Schreiben vorgenommen zu haben.

Im Übri...

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