Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch eines Handelsvertreters auf Buchauszug kann auch Zeiträume nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses infolge fristloser Kündigung umfassen, so namentlich dann, wenn Ansprüche auf echte oder unechte Überhangprovisionen nicht (wirksam) abbedungen worden sind und möglich erscheinen.
2. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine verkürzte Verjährungsfrist für Ansprüche vorsieht und deren Beginn an die Kenntnis von der Entstehung der Ansprüche knüpft, ist jedenfalls bereits dann unwirksam, wenn sie Ansprüche aus "Haftung wegen Vorsatzes" (§ 202 Abs. 1 BGB) nicht ausnimmt.
Normenkette
HGB § 87c; BGB §§ 199, 202
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 23.10.2014; Aktenzeichen 025 O 5/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.10.2014 verkündete Teilurteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen vollständigen Buchauszug über alle Geschäfte zu erteilen, die sie für die von ihr vertriebenen Erzeugnisse mit Kunden aus den Postleitzahlgebieten 7 (70000 bis 79999) sowie 88 und 89 (88000 bis 89999), jedoch mit Ausnahme der B2 AG, I2 GmbH & Co. KG, I AG und L GmbH & Co. KG, in der Zeit von Dezember 2009 bis zum 30.9.2011 ausgeführt hat oder hätte ausführen müssen und wobei für jedes einzelne Geschäft insbesondere angegeben werden muss
- Name und Anschrift des Kunden,
- Datum der Auftragserteilung,
- Inhalt des Auftrags, aufgegliedert nach Art, Zahl und Preis der verkauften Waren,
- Lieferdatum und Liefermenge (bei Teillieferungen jeweils aufgegliedert),
- Rechnungsdatum und Rechnungsbetrag,
- Datum und Höhe der Kundenzahlungen,
- eventuelle Storni oder Nichtauslieferungen sowie alle etwaigen Retouren, und zwar unter jeweils präziser Angabe des hierfür maßgeblich gewesenen Grundes.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten mit Ausnahme der Kosten der Berufung, die die Beklagte trägt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung wegen des Anspruchs auf Buchauszug Sicherheit in Höhe von 7.000,00 EUR leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger verlangt im Wege der Stufenklage u.a. die Erteilung eines Buchauszugs.
Die Beklagte vertreibt Haushaltsgeräte für Küchen. Seit dem 1.7.2009 wurde der Kläger als Handelsvertreter und Nachfolger des Herrn Q für die Beklagte tätig. In diesem Zusammenhang wurden zwei Vereinbarungen getroffen:
Mit Vertrag vom 12.6.2009 vereinbarten der Kläger und Herr Q, der für die Beklagte seit dem 1.5.2005 als Handels- und Gebietsvertreter in Baden-Württemberg tätig gewesen war, die Übernahme der Handelsvertretung gegen einen Kaufpreis i.H.v. 46.680 EUR, der vom Kläger in Monatsraten zu zahlen war. Gemäß § 4 des Vertrages trat der Kläger seine künftigen Provisionsforderungen sowie eventuelle Abfindungen gegenüber der Beklagten bis zu einem Höchstbetrag von 60.153,07 EUR zur Sicherung des Kaufpreisanspruchs ab. Im Falle des Verzugs sollte Herr Q berechtigt sein, die abgetretenen Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 17 ff. der Gerichtsakten verwiesen.
Am 1.7.2009 schlossen die Parteien des Rechtsstreits mit Herrn Q eine so genannte Dreier-Vereinbarung, wonach der zwischen der Beklagten und Herrn Q bestehende Handelsvertretungsvertrag nach dessen Ausscheiden am 30.6.2009 ununterbrochen mit dem Kläger fortgesetzt werden sollte. Gemäß § 1 Abs. 3 wurde der Vertrag unter der Bedingung abgeschlossen,
"dass die Verpflichtungen aus dem zwischen Vorgänger- und Nachfolgehandelsvertretung noch zu vereinbarenden Kaufvertrag, insbesondere die Zahlungsverpflichtung der Nachfolgehandelsvertretung gegenüber der Vorgängerhandelsvertretung erfüllt werden".
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 22 ff. der Gerichtsakten verwiesen.
In dem vom Kläger übernommenen Handelsvertretervertrag zwischen der Beklagten und Herrn Q finden sich folgende für das Berufungsverfahren relevante Regelungen:
"§ 10
(1) Die Handelsvertretung hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die während der Dauer des Vertragsverhältnisses mit den ihr zugeteilten Kunden zu Stande kommen und die bis Beendigung des Vertragsverhältnisses mit diesen getätigt werden. [...]
§ 11
(2) Provisionsanspruch für die Vertretung besteht nur dann, wenn eine Kundenforderung ohne Verluste eingeht. [...]
Mit der Erstellung der Provisionsabrechnung ist die Provision zur Auszahlung fällig. [...]
§ 15
(1) die Verjährungsfrist für alle Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis beträgt zwei Jahre. Sie beginnt mit der Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs. [...]"
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 361 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Ferner bestand zwischen der Beklagten und Herrn Q eine "gesonderte Provisionsregelung für Cooperationen/Zentralauf...