Leitsatz (amtlich)

Ein geringfügiger, fachgerecht in Werksqualität beseitigter Lackkratzer eines Neuwagens ist kein Sachmangel und nicht offenbarungspflichtig.

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1, §§ 346, 434, 439-440, 812

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 28.03.2010; Aktenzeichen 3 O 230/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.3.2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Essen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die in N3 ein Autohaus betreibt, Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs.

Am 18.2.2009 bestellte die Klägerin bei der Beklagten ein Neufahrzeug der Marke Nissan, Modell Qashqai, Tekna 2.0 CVT, zum Preis von 24.630 EUR.

Das Fahrzeug wurde am 26.6.2009 der Klägerin übergeben. Zuvor war auf Veranlassung der Beklagten ein Transportschaden auf der linken Seite des Fahrzeugs behoben worden. Hierüber wurde die Klägerin bei der Übergabe nicht informiert.

Im Dezember 2009 wurde die Klägerin, als sie das Fahrzeug wegen eines von ihr selbst verursachten Schadens in eine Lackiererei brachte, auf eine erhöhte Lackschichtdicke der linksseitigen Türen hingewiesen.

Darauf zunächst vom Ehemann der Klägerin, dann auch von ihr selbst angesprochen, informierte sie der Geschäftsführer der Beklagten T über den reparierten Transportschaden.

Die Einzelheiten der im Dezember 2009 geführten Gespräche sind streitig. Jedenfalls wurde seitens der Beklagten eine Zahlung von 1.000 EUR angeboten, die die Klägerin ablehnte.

Mit Anwaltsschreiben vom 24.12.2009 focht die Klägerin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und erklärte zugleich den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte trat dem entgegen, woraufhin die Klägerin ihr mit Schreiben vom 16.1.2010 vergeblich eine Frist zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 31.1.2010 setzte.

Die Klägerin hat behauptet, vor Übergabe sei an den beiden linksseitigen Fahrzeugtüren großflächig gespachtelt und nachlackiert worden. Der Geschäftsführer der Beklagten habe in einem der Gespräche im Dezember 2009 den Schaden eingeräumt. Er habe ihr zunächst auch angeboten, falls sie mit der angebotenen Zahlung von 1.000 EUR "nicht klar käme", den Pkw zurückzunehmen. Nachdem sie - unstreitig - dieses Zahlungsangebot abgelehnt und der Beklagten eine Frist für weitere Vorschläge gesetzt habe, habe deren Geschäftsführer lediglich sein Zahlungsangebot wiederholt und erklärt, andernfalls sei die Sache für ihn erledigt.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der reparierte Schaden sei als Mangel offenbarungspflichtig gewesen, das Verschweigen sei eine arglistige Täuschung.

Von dem Kaufpreis, dessen Rückzahlung verlangt wird, hat die Klägerin als Nutzungsentschädigung für 8.500 gefahrene Kilometer einen Betrag von 697,85 EUR in Abzug gebracht.

Sie hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.932,15 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.1.2010 Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw Nissan Qashqai Tekna 2.0, 140 PS, CVT, Fahrgestell-Nr...., Brief-Nr....1 zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 16.1.2010 im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, bei dem Transportschaden habe es sich um einen kleinen Lackkratzer an der hinteren linken Tür gehandelt. Dieser sei fachgerecht beseitigt worden; dazu sei die Tür nachlackiert und zwecks optischer Angleichung die vordere Tür beilackiert worden. Anderes habe ihr Geschäftsführer im Dezember 2009 nicht gesagt; er habe lediglich aus Kulanz die Zahlung von 1.000 EUR angeboten.

Die Beklagte hat zudem gerügt, dass ihr - unstreitig - keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden sei und dass die in Abzug gebrachte Nutzungsentschädigung zu gering bemessen sei.

Das LG hat ein Gutachten des Sachverständigen T2 vom 12.1.2011 eingeholt. Dieser hat festgestellt, dass im fraglichen Bereich des Fahrzeugs keine Spachtelarbeiten, sondern nur die von der Beklagten beschriebenen Lackierarbeiten ausgeführt worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf das bei den Akten befindliche Gutachten Bezug genommen.

Mit Urteil vom 28.3.2011 hat das LG - unter Abweisung der weitergehenden Klage - die Beklagte zur Zahlung von 22.290,15 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.1.2010 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt.

Die Klägerin habe den Kaufvertrag wirksam angefochten. Die Beklagte habe sie arglistig getäuscht. Beim Neuwagenkauf seien auch geringfügige Schäden offenbarungspflichtig. Dazu gehöre der reparierte Transportschaden, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen die...

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