Entscheidungsstichwort (Thema)
Überleitung von Ansprüchen gegen den Schuldner eines hilfebedürftigen Unterhaltsgläubigers auf den Sozialhilfeträger
Leitsatz (amtlich)
1. Die Überleitung von Ansprüchen gegen Schuldner des hilfsbedürftigen Unterhaltsgläubigers auf den Sozialhilfeträger schließt die Geltendmachung eigener Schadensersatzansprüche des Unterhaltsgläubigers und Sozialhilfeempfängers gegen den Schädiger nicht aus.
2. Die Beteiligung an einer sittenwidrigen Vereitelung titulierter Unterhaltsansprüche von Seiten des Titelschuldners führt zur Haftung aus § 826 BGB; spielt der Titelschuldner sein Erwerbsgeschäft und Vermögen planmäßig in die Hände seines mit den Umständen vertrauten Lebenspartners, um der Unterhaltsberechtigten (geschiedene Ehefrau) den Vollstreckungszugriff zu vereiteln, begründet das - jenseits eines möglichen Gläubigeranfechtungstatbestandes - den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB.
3. Der Schadensersatzanspruch kann der Höhe nach auf den Wert des Vermögens, das dem Vollstreckungszugriff unterlegen hätte, beschränkt sein, wenn der Schuldner gerade dieses Vermögen hätte liquidieren müssen, um die Titelansprüche erfüllen zu können.
Normenkette
BGB §§ 249, 826, 830 Abs. 2; BSHG § 91 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 04.09.2002; Aktenzeichen 2 O 117/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung ihres weiter gehenden Rechtsmittels - das am 4.9.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hagen abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 97.145,46 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 24.3.2000 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
A. Die Klägerin ist Inhaberin mehrerer titulierter Ansprüche gegen ihren früheren Ehemann C., namentlich auf Zahlung von Unterhalt, Zugewinn- und vertraglichem Vermögensausgleich sowie Erstattung von Verfahrenskosten aus verschiedenen Rechtsstreiten. Nachdem sie durch Zwangsvollstreckung in das Grundeigentum des Schuldners in 1998 nur 50.555,64 DM beitreiben konnte, beliefen sich ihre Forderungen bei Beginn des vorliegenden Rechtsstreits noch auf eine Gesamthöhe von 237.260 DM. Sie nimmt die Beklagte, die jetzige Ehefrau des Schuldners, mit dem Vorwurf der Beteiligung an dessen vorsätzlicher, sittenwidriger Vollstreckungsvereitelung auf Schadensersatz in Höhe ihres Forderungsausfalls in Anspruch. Diesen Vorwurf stützt sie darauf, dass der Schuldner der Beklagten persönliche Wertgegenstände sowie Hausrat übertrug und ihr Mietzinsansprüche abtrat, vor allem aber darauf, dass er seine als selbständiger Unternehmer betriebene Gebäudereinigungsfirma sowie jegliche Erwerbstätigkeit ersatzlos aufgab, während die Beklagte parallel dazu ein eigenes derartiges Unternehmen aufbaute, was nach den hier gewählten Modalitäten faktisch - so meint die Klägerin - einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebs gleichkomme, mit dem Ziel, den Schuldner zu Lasten ihrer Befriedigungsmöglichkeiten gänzlich vermögenslos zu stellen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil, mit dem das LG der Klage vollumfänglich stattgegeben hat, Bezug genommen.
Mit der Berufung begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
I. Sie meint, die Klägerin sei für die Schadensersatzklage nicht aktivlegitimiert, denn die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche durch den Sozialhilfeträger für die Zeit ab dem 1.6.1998 sei ohne ausdrückliche Kostenübernahmeerklärung wegen Nichtbeachtung von § 91 Abs. 4 S. 2 BSHG n.F. gem. dem Beschluss des OLG Hamm v. 23.9.1997 (OLG Hamm, Beschl. v. 23.9.1997 - 7 WF 379/97) nicht wirksam.
II. a) Die Schadensersatzklage wegen Vollstreckungsvereitelung unterliege hinsichtlich der Positionen, die keine Unterhaltsforderungen der Klägerin beinhalten, schon deshalb der Abweisung, weil die Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB bei Unterhaltspflichtverletzung insoweit nicht anwendbar sei. Die Beklagte bestreitet weiterhin, dass der Ehemann sich durch eine Reihe planmäßiger, in sich zusammenhängender Maßnahmen seines gesamten greifbaren Vermögens entäußert und ihr als einer in den Plan eingeweihten Dritten mit dem Ziel zugewendet habe, den Zugriff der Klägerin aufgrund deren Unterhaltsforderungen zu vereiteln und jene so der Sozialhilfe zu überantworten. Die vom LG hierfür herangezogenen Indizien trügen dessen anderslautende Feststellung nicht:
1. Die Klägerin sei aufgrund ihres - z.T. gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten G., ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter - schon seit 1996 gehaltenen Immobilienvermögens nicht mittellos i.S.d. Sozialhilferechts. Darüber hinaus sei sie durch ...