Leitsatz (amtlich)
Für die Anwendbarkeit des § 138 InsO muss das darin vorausgesetzte Näheverhältnis auch noch zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem die angefochtene Rechtshandlung gem. § 140 InsO als vorgenommen gilt.
Normenkette
InsO §§ 138, 140
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 15.09.2006; Aktenzeichen 2 O 219/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 15.9.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Paderborn abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S - ursprünglich aus N2 - anfechtungsrechtliche Rückübertragungsansprüche geltend.
Der Schuldner war als selbständiger Vermittler im Bereich des Zeitschriftenabonnements für den Q, deren Inhaber der Beklagte ist, tätig. Aus dieser Geschäftsbeziehung resultierte gemäß Abrechnung des Beklagten vom 29.12.1997 ein Negativsaldo zu Lasten des Schuldners i.H.v. 166.349,48 DM. Die Parteien schlossen unter gleichem Datum eine mit "Saldenbestätigung" überschriebene Vereinbarung, nach der der Schuldner die Richtigkeit der Abrechnung anerkannte. Weiter heißt es dort:
"Die Parteien sind sich einig, dass Herr S berechtigt ist, den Saldo durch Verrechnung von neuen Provisionsansprüchen, die er gegen die Firma Q erlangt und durch Abtretung von Forderungen, die er selbst gegen Dritte hat, zurückzuführen."
Am 30.8.2001 schlossen die Parteien einen "Vertrag über Forderungsabtretung". Danach trat der Schuldner dem Beklagten zur Begleichung von Verbindlichkeiten i.H.v. 160.000 DM erfüllungshalber seine Mietzinsforderungen gegen Frau I (Wohnung Nr. ..1, Q-Weg, T) und Frau Q2 (Wohnung Nr. ..2, Q-Weg, T) in voller Höhe ab.
Zum Jahresende 2002 beendeten der Beklagte und der Insolvenzschuldner ihre Geschäftsbeziehung. Am 14.12.2002 war die Ehefrau des Beklagten, die die Schwester der Ehefrau des Insolvenzschuldners ist, verstorben.
Auf Antrag der J Krankenkasse (J) vom 23.6.2003 wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss des AG Bonn vom 12.11.2004 eröffnet. Die Mieterin des Schuldners I leistete im Zeitraum zwischen Antrag und Eröffnung (29.7.2003 bis 28.10.2004) aufgrund der offen gelegten Abtretung Mietzahlungen i.H.v. insgesamt 5.896,41 EUR an den Beklagten. Diese verlangt der Kläger unter Berufung auf § 131 InsO im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Darüber hinaus macht er den nicht anrechenbaren Teil vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend.
Die 2. Zivilkammer des LG Paderborn hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die angefochtene Rechtshandlung sei als inkongruent gem. § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil die nach § 140 Abs. 1 InsO erst mit Entstehung der jeweiligen Mietforderung wirksame Vorausabtretung vom 30.8.2001 nicht in der gegebenen Art zu beanspruchen gewesen sei. In der erfüllungshalber erfolgten Abtretung einer Drittforderung liege eine inkongruente Erfüllungshandlung. Die Inkongruenz könne nur durch einen bestimmten Sicherungsanspruch ausgeschlossen werden, der auf einen von vornherein individualisierbaren Gegenstand gerichtet sei. Dem genüge die Vereinbarung vom 29.12.1997 mangels ausreichender Bestimmtheit nicht.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung rügt der Beklagte, dass das LG, worauf bereits in erster Instanz hingewiesen worden sei, die Bedeutung der zwischen ihm und dem Schuldner vereinbarten Ersetzungsbefugnis verkannt habe. Bereits die Vereinbarung vom 29.12.1997 sei insoweit hinreichend bestimmt. Spätestens durch die auch noch in unkritischer Zeit geschlossene Abtretungsvereinbarung vom 30.8.2001 sei die Ersetzungsbefugnis in hinreichender Art und Weise konkretisiert worden.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Der Rechtserwerb aufgrund einer Abtretung sei immer inkongruent. Den mit der Berufung geltend gemachten Unterschied zwischen der Absicherung einer Forderung und ihrer Befriedigung gebe es nicht. Selbstredend habe sich der Schuldner bereits bei der Abtretungsvereinbarung vom 30.8.2001 in einer tiefen finanziellen Krise befunden. Letztlich greife in Bezug auf die Zession jedenfalls auch § 133 InsO ein.
II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger kann die Rückgewähr der vereinnahmten Mietzahlungen aus § 143 Abs. 1 InsO nicht beanspruchen. Die Anfechtung greift weder gem. § 131 InsO noch nach anderen Vorschriften (§§ 130, 133 InsO) durch.
1. Die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen inkongruenter Deckung nach 131 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO liegen nicht vor.
a) Das LG ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtenen Leistungen in den von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfassten Zeitraum nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen. Der Beklagte...