Leitsatz (amtlich)
1. Rechnet der geschädigte Fahrzeugeigentümer seinen Kraftfahrzeugschaden trotz tatsächlicher Ersatzbeschaffung fiktiv auf der Basis eines sachverständigen Schadensgutachtens ab, ist der Schadensberechnung der Nettowiederbeschaffungswert zugrunde zu legen (wie BGH VI ZR 312/08). Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem verunfallten Fahrzeug um einen für den deutschen Markt eher fremden Fahrzeugtyp handelt (hier: rechts gelenkter Ford-Pkw eines britischen Halters).
2. Der Einwand, das Fahrzeug sei zum Nettowiederbeschaffungswert auf dem deutschen wie britischen Markt nicht käuflich, so dass vom Bruttowiederbeschaffungswert auszugehen sei, ändert nichts an der Art der fiktiven Schadensberechnung nach Ziff. 1. Inhaltlich richtet sich der Einwand gegen die Verlässlichkeit des Schadensgutachtens.
3. Der Vorwurf des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB durch unterlassene Beschaffung eines Interimsfahrzeugs setzt - wenn er begründet werden soll - die Darlegung und den Beweis von konkreten Umständen voraus, die eine temporäre Ersatzbeschaffung zumutbar gemacht hätten.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2, § 254
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 25.06.2009; Aktenzeichen 6 O 428/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Beru-fung das am 25.6.2009 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 751,99 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.6.2007, sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 35,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 29.10.2008 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites erster Instanz tragen die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 %, von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 88 % und die Beklagte 12 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klägerin macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 3.3.2007 geltend. Der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw beschädigte das ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeug der Klägerin. Die 100%ige Haftung der Beklagten für die Unfallschäden dem Grunde nach ist unstreitig. Die Unfallschäden wurden seitens der Beklagten vorprozessual weitgehend reguliert, auch die seitens der Klägerin fiktiv geltend gemachten Fahrzeugschäden. Streitig zwischen den Parteien sind in der Berufung nur noch die Umsatzsteuer für den verunfallten Pkw und Teile der Mietwagenkosten der Klägerin, nachdem die Beklagte den erstinstanzlich ferner geltend gemachten Benzinmehraufwand anerkannt hat.
Ausweislich des vorprozessual eingeholten Schadensgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. N betrug der Nettowiederbeschaffungswert des beschädigten Pkw der Klägerin - einem rechtsgelenkten Ford S-Max - 20.500 EUR. In der ergänzenden Stellungnahme vom 20.3.2007 erklärte der Sachverständige, bei den 20.500 EUR handele es sich um den Nettowert. Er bezifferte den Bruttowert auf 24.395 EUR. Der Restwert des Ford betrug 1.500 EUR. Auf diesen Schaden hat die Beklagte 19.000 EUR gezahlt (Nettowiederbeschaffungswert 20.500 EUR./. Restwert 1.500 EUR). Die Klägerin ist der Ansicht, dass auf Gutachtenbasis wie folgt abzurechnen ist: Bruttowiederbeschaffungswert 24.395 EUR./. Restwert 1.500 EUR = 22.895 EUR). Entscheidend ist ihrer Ansicht nach allein, wie der beschädigte Wagen steuerrechtlich zu bewerten ist. Die Klägerin hat einen Ersatzwagen angeschafft. Hierfür musste sie keine Umsatzsteuer aufwenden, da sie gem. Art. 67 des Nato-Zusatzabkommens die Möglichkeit hatte, unter bestimmten Abwicklungsvoraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit zu werden.
Die Klägerin hat für die Zeit vom 5.3.2007 bis zum 23.5.2007 (d.h. für 80 Tage) einen Mietwagen angemietet. Hierfür wurden der Klägerin 5.891 EUR in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat auf diesen Schaden 4.713 EUR gezahlt. Mit Schreiben vom 24.6.2008 hat sie darauf hingewiesen, dass sie bei der Abrechnung 80 Tage abzgl. Eigenersparnissen, sowie die Kosten der Überführung für das Ersatzfahrzeug berücksichtigt habe. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
an sie 5.230,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.895 EUR seit dem 30.3.2007 und aus weiteren 1.335,09 EUR seit dem 9.6.2007 zu zahlen;
an sie nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 111,38 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (= 28.10.2008) zu zahlen.
Die Beklagte hat den Klageanspruch i.H.v. 157,09 EUR anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass die Klägerin den Mietwagen zu einem Langzeittarif angemietet habe. Sie hat gemeint, es müssten Ersparnisse der Klägerin i.H.v. mindestens 10 % berücksichtigt werden. Die Klägerin hätte ferner ein Interimsfahrzeug anschaffen müssen, um den Schaden möglichst gering zu halten.
Das...