Leitsatz (amtlich)
Ein aus der Beschädigung eines Straßentunnels folgender Schadensersatzanspruch des Landes NRW als Eigentümern des Tunnels ist nicht unter dem Gesichtspunkt eines Abzuges "neu für alt" zu kürzen, wenn nicht feststeht, dass dem Land durch die Reparaturmaßnahme ein messbarer Vermögensvorteil entsteht.
Normenkette
BGB §§ 249, 823; StVG § 7 Abs. 1; StVO § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 03.09.2014; Aktenzeichen 5 O 46/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3.9.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Siegen teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, an das klagende Land 47.855,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den Basiszinssatz seit dem 14.1.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen das klagende Land zu 5 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 95 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern das klagende Land vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Das klagende Land nimmt die Beklagten wegen eines Schadensereignisses vom 20.1.2009, bei dem ein bei der Beklagten zu 2.) haftpflichtversicherter Lkw-Schwertransporter des Beklagten zu 1.) mit seinem Auflieger über eine Länge von 75 m die im Jahr 1997 fertiggestellte Lärmschutzverkleidung an der Decke des X-Tunnels in T beschädigte, als Gesamtschuldner auf Zahlung von restlichem Schadenersatz in Anspruch. Die in der Zeit zwischen dem 20.3.2010 und 17.5.2010 durchgeführte Reparatur der Lärmschutzverkleidung kostete inklusive Ingenieurleistungen 225.026,68 EUR. Mit Schreiben vom 13.12.2010 forderte das klagende Land die Beklagte zu 2.) unter Setzung einer Frist von 30 Tagen zur Zahlung des vorgenannten Betrages auf. Die Beklagte zu 2.), die bereits mit Schreiben vom 8.12.2009 ihre Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach anerkannt hatte, zahlte hierauf am 15.3.2011 lediglich einen Betrag in Höhe von 177.171,26 EUR. Zur Zahlung des Restbetrages von 47.855,42 EUR sah sie sich wegen eines ihrer Ansicht nach dem klagenden Land anzurechnenden Vorteils "neu für alt" als nicht verpflichtet an. Diesen Restbetrag macht das klagende Land nunmehr nebst Zinsen in Höhe von 8 % Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2011 mit der vorliegenden Klage geltend.
Das klagende Land hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, dass ein Abzug "neu für alt" von dem Reparaturkostenaufwand nicht zu erfolgen habe, weil der teilweise Austausch der Lärmschutzelemente, der 50 % der Lärmschutzverkleidung umfasst habe, zu keiner messbaren Vermögensvermehrung geführt habe. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seien bei einer zukünftigen Erneuerung der Lärmschutzverkleidung in ca. 30 Jahren die Elemente nicht mehr zu beschaffen. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass sich bis dahin die technischen Vorgaben dergestalt ändern würden, dass zum Zeitpunkt der altersbedingten Sanierung des Tunnels eine vollständige Erneuerung der Lärmschutzverkleidung erforderlich sei.
Die Beklagten haben demgegenüber unter Bezugnahme eines von ihnen vorgelegten Gutachtens der E behauptet, aus Anlass des Schadensereignisses hätten 72 % der Lärmschutzverkleidung erneuert werden müssen. Da die funktionale Lebensdauer der Verkleidungselemente mit allenfalls 50 Jahren anzusetzen sei, die beschädigten Elemente aber zum Zeitpunkt des Schadensereignisses erst 11 Jahr alt gewesen seien, rechtfertige dies nach der ImmowertV 2010 einen Abzug "neu für alt" in Höhe von 22 % bezogen auf den Gesamtschaden einschließlich der Baunebenkosten, was sogar eigentlich einen Abzug von den Reparaturkosten in Höhe von 49.505,87 EUR gerechtfertigt hätte. Das klagende Land habe durch den teilweisen Austausch der Verkleidungselemente einen messbaren Vorteil erlangt, weil sich dadurch der Zyklus für die Erneuerung der gesamten Deckenverkleidung deutlich zeitlich verzögert habe. Da die technische Lebensdauer der Lärmschutzelemente in Bezug auf die Haltbarkeit ihres Materials wesentlich höher sei als ihre funktionale Lebensdauer von 50 Jahren könnten die verbliebenen 28 % der alten Lärmschutzelemente durchaus bis zum erforderlichen Austausch der neuen Elemente im Bauwerk verbleiben. Die vom klagenden Land geltend gemachte Zinsforderung in Höhe 8 % über dem Basiszinssatz sei unbegründet.
Das LG hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen I vom 13.2.2013 sowie zwei schriftlicher Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 24.6.2013 und 29.1.2014 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es - anders als für Wohngebäude - für Straßentunnel technisch gebotene Ern...