Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB wegen grober Unbilligkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Unterhaltsanspruch ist nicht schon deshalb gem. § 1579 Nr. 7 BGB wegen grober Unbilligkeit zu begrenzen, wenn der geschiedene Ehemann in der 20-jährigen Ehezeit infolge Krankheit der Ehefrau durch überobligatorischen Einsatz nicht nur die finanzielle, sondern auch die häusliche Versorgung der Familie sichergestellt hat und die beantragte Erhöhung der Unterhaltsleistungen möglicherweise dazu führen wird, dass das während der Ehe gemeinsam errichtete und nach der Scheidung vom Ehemann allein übernommene und mit beiden gemeinsamen Kindern bewohnte Haus veräußert werden muss.
Normenkette
BGB § 1579 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Ibbenbüren (Urteil vom 02.03.2005; Aktenzeichen 4 F 501/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2.3.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Ibbenbüren teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des OLG Hamm vom 18.2.1997 verurteilt, an die Klägerin ab März 2002 wie folgt nachehelichen Unterhalt zu zahlen:
a) für die Zeit von März bis Juli 2002 monatlich 1.028 EUR, davon 111 EUR als Krankenvorsorgeunterhalt und 181,65 EUR als Altersvorsorgeunterhalt;
b) für die Zeit von August bis Dezember 2002 monatlich 1.121 EUR, davon 111 EUR als Krankenvorsorgeunterhalt und 203,07 EUR als Altersvorsorgeunterhalt;
c) für die Zeit ab Januar 2003 monatlich 1.121 EUR, davon 112,66 EUR als Krankenvorsorgeunterhalt und 211,22 EUR als Altersvorsorgeunterhalt.
Die weiter gehende Abänderungsklage wird abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden der Klägerin zu 1/3 und dem Beklagten zu 2/3 auferlegt.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute und streiten um die Abänderung der durch das Urteil des OLG Hamm vom 18.2.1997 festgelegten Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung nachehelichen Unterhalts. Dem liegt Folgendes zu Grunde:
Die Parteien haben am 25.1.1974 geheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen: S. geboren am 24.2.1975, und D., geboren am 24.11.1980. Seit 1979 wohnte die Familie in einem neu errichteten Einfamilienhaus, das beiden Parteien gemeinsam gehörte.
Nach der Geburt von S. kam es bei der Klägerin erstmals zum Auftreten einer Psychoseerkrankung, die mehrere Wochen stationär behandelt werden musste, zuletzt in der psychiatrischen Klinik in Münster. Danach folgte eine weitgehend unauffällige Lebensentwicklung, bis sich die Erkrankung ab 1982 mit schleichender Symptomatik erneut zeigte. Nach schwerer psychotischer Dekompensation kam es vom 15.2. bis 26.5.1988 zu einer stationären Behandlung in der Westfälischen Klinik in Lengerich. Zugleich wurde eine Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet, die (nach Verbesserung des Gesundheitszustands) am 23.4.1993 wieder aufgehoben wurde. Seit dem 13.6.1995 besteht erneut eine Betreuung, die zunächst auf die Vermögenssorge beschränkt war, inzwischen aber um Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung erweitert ist.
Am 18.5.1993 ist die Klägerin aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Die Kinder blieben im Haushalt des Beklagten, der auch die Hauslasten weiter abtrug. Die Ehescheidung ist seit dem 15.3.1995 rechtskräftig.
Im Vorverfahren 4 F 39/95 hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. 1.487,96 DM (davon 179,99 DM Krankenvorsorgeunterhalt) in Anspruch genommen und geltend gemacht, sie sei auf Grund ihrer psychischen Erkrankung erwerbsunfähig. Im Berufungsverfahren sind ihr ab Oktober 1996 monatlich 585 DM zugesprochen worden. Dabei ist das OLG davon ausgegangen, dass die Klägerin auf Grund der seit Jahren bestehenden chronischen Schizophrenie zwar in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sei, aber nicht ausgeräumt habe, noch im Geringverdienerbereich monatlich 600 DM verdienen zu können. Die nach Abzug des Erwerbstätigenbonus verbleibenden 515 DM seien vom notwendigen Selbstbehalt (für Nichterwerbstätige) i.H.v. 1.100 DM abzuziehen, so dass ein Bedarf von 585 DM verbleibe. Diesen Betrag könne der Beklagte ab Oktober 1996 auch aufbringen, denn ab diesem Zeitpunkt stünden für Unterhaltszwecke zur Verfügung:
Nettoeinkommen 3.782 DM
./. Gewerkschaftsbeitrag 54 DM
./. Hauslasten (unter Berücksichtigung des Wohnwerts) 785 DM
./. Rate an die LBS 150 DM
./. Unterhalt für D. 502 DM
./. notwendiger Selbstbehalt 1.500 DM
verfügbar 791 DM
Den titulierten Betrag hat der Beklagte in der Folgezeit gezahlt. Die Klägerin musste aber ergänzend Sozialhilfe in Anspruch nehmen, weil es ihr nicht gelang, den fiktiv zugerechneten Verdienst tatsächlich zu erzielen.
Durch Vertrag vom 4.7.2002 haben sich die Parteien wegen des gemeinsamen Hauses auseinander gesetzt. Der Beklagte hat den Anteil der Klägerin gegen Zahlung von 40.000 EUR übernommen und ...