Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch des Käufers eines Gebrauchtwagens auf Schadensersatz neben der Leistung, hier gerichtet auf Nutzungsausfall, wenn das Fahrzeug nach Übergabe an den Käufer polizeilich vorübergehend sichergestellt wird, weil vor Gefahrübergang im Herkunftsland des Fahrzeugs eine Diebstahlsanzeige erstattet wurde, die vom Anzeigeerstatter versehentlich nicht zurückgenommen wurde.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 435 S. 1, § 439 Abs. 1; StPO §§ 94, 111b
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 09.06.2010; Aktenzeichen I-2 O 468/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 9.6.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um einen vom Kläger erhobenen Anspruch auf Nutzungsausfall, nachdem ein von ihm erworbener Gebrauchtwagen "Kia Picanto 1.0" polizeilich sichergestellt und später wieder an ihn freigegeben worden ist.
Halter des erstmals Ende 2007 in Spanien zugelassenen Wagens war ein spanisches Unternehmen. Im März 2009 meldete es den Wagen in N als gestohlen. Später vergaß das Unternehmen die Rücknahme der Strafanzeige und veräußerte das Fahrzeug. Es wurde über Zwischenhändler nach Deutschland verkauft. Zusammen mit 40 anderen Fahrzeugen erwarb es der Beklagte, der mit Gebrauchtfahrzeugen handelt.
Der Beklagte veräußerte den Wagen mit Kaufvertrag vom 2.11.2009 für 5.500 EUR an den Kläger. Dieser meldete das Fahrzeug noch am 2.11.2009 um. Die Polizei stellte den Wagen am 20.11.2009 in E gem. § 94 Abs. 1 StPO sicher. Mit Anwaltsschreiben vom 23.11.2009 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Ein Mitarbeiter des spanischen Unternehmens, welches ursprünglich Halter des Wagens gewesen war, teilte der spanischen Polizei am 24.11.2009 mit, dass man die Rücknahme der Diebstahlsanzeige vergessen habe. Mit Schreiben vom 25.11.2009 unterrichtete die Ehefrau des Beklagten die Anwälte des Klägers, dass die Diebstahlsanzeige in Spanien zurückgenommen worden sei; sie fügte eine entsprechende Bestätigung des spanischen Innenministeriums (Ministerio del Interior) bei
Mit der Klageschrift vom 2.12.2009 hat der Kläger zunächst im Wesentlichen Schadensersatz in Gestalt der Rückzahlung des gesamten Kaufpreises sowie Ersatz verschiedener Folgekosten begehrt. Anfang Januar 2010 gab die Polizei in E den Wagen wieder frei.
Der Kläger hat sodann die auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage für erledigt erklärt und im Wesentlichen Nutzungsausfall für 49 Tage [20.11.2009 bis 7.1.2010] zu je 29 EUR verlangt, insgesamt 1.421 EUR, ferner Kostenersatz für neue Kennzeichen (37 EUR), für die Feinstaubplakette (44,10 EUR) und für eine neue Batterie (136,39 EUR). Der Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine "Beschlagnahme" zu Beweissicherungszwecken für eine vorübergehende Dauer ausschließlich auf Grundlage des § 94 StPO keinen Rechtsmangel des Kraftfahrzeugs darstelle. Dies beeinträchtige die Eigentümerstellung des Käufers nicht. Die polizeiliche Maßnahme sei ein vom Käufer zu tragendes, allgemeines Risiko. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufungsbegründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Auch eine "Beschlagnahme" zum Zwecke der Beweissicherung gem. § 94 StPO könne zu einem völligen Rechtsverlust führen. Dies folge aus § 111k StPO. Der Rechtsmangel liege bereits in der Maßnahme selbst; ihre spätere Aufhebung ändere daran nichts. Durch die polizeiliche Maßnahme habe er das Fahrzeug nicht nutzen können. Bereits das beeinträchtige die Eigentümerposition. Der Beklagte habe, wie der Kläger erstmals in zweiter Instanz behauptet, gewusst, dass der Wagen in Spanien als gestohlen gemeldet worden sei. Ferner meint der Kläger, dass der Beklagte sich hätte erkundigen müssen, ob der Wagen im Herkunftsland Beschränkungen unterliege.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des LG Dortmund vom 9.6.2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.638,49 EUR und Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 12.3.2010 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, ihn von der Kostenforderung seiner Verfahrensbevollmächtigten betreffend die außergerichtlichen Kosten i.H.v. 603,93 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2009 freizustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus: Ein Anspruch auf Nutzungsausfall bestehe nicht. Der Kläger sei Eigentümer des Wagens geworden. Ein Anspruch auf Nutzungsausfall sei zudem verschuldensabhängig; er selbst habe jedoch keine Kenntnis von den Vorgängen in Spanien gehabt. Eine Erkundigungspflicht treffe ihn nicht und widerspräche dem freien Warenhandel innerhalb der EU.
II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Als Anspruchsgrundlag...