Leitsatz (amtlich)
1.) Die Frage, ob eine gemischte Anstalt i.S.d. § 4 Abs. 5 MB/KK vorliegt, kann das erkennende Gericht im Einzelfall ohne Zuhilfenahme eines Sachverständigen in eigener Würdigung entscheiden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer gemischten Anstalt trägt der Versicherer. Allerdings muss der Versicherungsnehmer, wenn sich aus ohne weiteres öffentlich zugänglichen Quellen - z.B. aus dem Internetauftritt einer Klinik - eindeutig das objektive Leistungsangebot einer gemischten Anstalt ergibt, das Bestehen einer gemischten Anstalt substantiiert bestreiten.
2.) Der Versicherungsnehmer hat keinen Anspruch auf die Zustimmung des Versicherers zur Behandlung in einer gemischten Anstalt, da es sich insoweit um eine Ermessensentscheidung handelt.
3.) Verweigert der Versicherer die Zusage zur Behandlung in einer gemischten Anstalt allein unter Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit einer stationären Behandlung, ist dies in der Regel nicht als Bereitschaft des Versicherers zu deuten, dem Aufenthalt des Versicherungsnehmers in der gemischten Anstalt zuzustimmen, falls sich die Notwendigkeit einer stationären Behandlung später herausstellt.
4.) Gleiches gilt für den Fall, dass der Versicherer die Zustimmung zur Behandlung in einer gemischten Anstalt verweigert, aber vor Aufnahme der Behandlung zusagt, auf der Grundlage des Entlassungsberichts die Frage der medizinischen Notwendigkeit noch einmal prüfen zu wollen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherer von der Möglichkeit einer freiwilligen Leistung bei Nachweis der Notwendigkeit der Behandlung gesprochen hat.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 26.05.2011; Aktenzeichen 9 O 341/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.5.2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(gemäß § 313a Abs. 1 ZPO) A.
Der Kläger ist bei der Beklagten zum Tarif S privat krankenversichert. Gegenstand seiner Klage ist die Erstattung von Krankenbehandlungskosten, die ihm durch eine stationäre psychosomatisch-psychiatrische Behandlung im Zeitraum vom 1.4.2009 bis zum 20.5.2009 in der G Klinik in X entstanden sind.
Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird gem. § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG Bielefeld Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass sich die Beklagte erfolgreich auf einen Leistungsausschluss nach § 4 Abs. 5 S. 1 AVB berufen könne. Denn bei der G Klinik in X handele es sich um eine sog. gemischte Anstalt im Sinne der v.g. Klausel. Leistungen seien deshalb von der Beklagten nur zu gewähren, wenn sie diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt habe, woran es aber vorliegend - unstreitig - fehle.
Des Weiteren könne sich die Beklagte auch mit Erfolg auf den Leistungsausschluss des § 4 Abs. 7 AVB berufen, da sich der Kläger unstreitig einer stationären Psychotherapie unterzogen habe, deren Kosten ebenfalls nur bei Vorliegen einer - hier fehlenden - schriftlichen Leistungszusage von der Beklagten zu übernehmen seien.
Entgegen der Annahme des Klägers sei die Berufung der Beklagten auf die Ausschlusstatbestände des § 4 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AVB auch nicht treuwidrig.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er rügt:
Die Beklagte habe in ihrer Leistungsablehnung vom 23.3.2009 explizit und ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine stationäre Behandlung des Klägers nicht erforderlich sei. Nicht hingegen habe der Kläger die Ablehnung dahingehend verstehen können, dass die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung habe versagen wollen, dass es sich bei der G Klinik um eine sog. gemischte Anstalt handele. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlusstatbestände des § 4 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AVB sei daher treuwidrig. Tatsächlich sei die stationäre Behandlung entgegen der Annahme der Beklagten auch zwingend geboten gewesen.
Soweit der Kläger in 1. Instanz noch Erstattung vermeintlich ausstehenden Krankentagegeldes i.H.v. 562,43 EUR begehrt hatte, verfolgt er diesen Anspruch in 2. Instanz nicht weiter.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.411,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.5.2009 zu zahlen, sowie dem Kläger außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.176,91 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung, d.h. seit dem 23.11.2010 zu erstatten.
Die Beklagte verteidigt mit näherer Darlegung die angefochtene Entscheidung und beantragt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, die Berufung zurückzuweisen.
B. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Auch wenn sich die Beklagte trotz der im Vorfeld angebotenen kulanzweisen Prüfung nicht bereit finden konnte, die etwa 1/5 der Klageforderung ausmachenden Behandlungskosten zu übernehmen, so ...