Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betreuter und nach seinem Tod seine Erben haben grundsätzlich einen Anspruch auf Rechnungslegung des verwalteten Vermögens. Zur Erfüllung kann auf eine abgegebene ordnungsgemäße Schlussrechnung, die gegenüber dem Betreuungsgericht erfolgt ist, Bezug genommen werden.
2. Ein Betreuer bedarf grundsätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn er beabsichtigt, in den Abbruch einer medizinischen Behandlung des Betreuten einzuwilligen und keine wirksame Patientenverfügung vorliegt. Diese Genehmigung ist nur dann nicht erforderlich, wenn zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung der Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme oder deren Widerruf dem Willen des Betreuten entspricht. In diesem Fall kann dem Betreuer nicht der Vorwurf einer vorsätzlichen Tötung gemacht werden.
Normenkette
BGB §§ 1890, 1908i, 1922, 2039
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 271/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 03.03.2017 verkündete Urteil der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert:
Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger zu 3) verurteilt, der Erbengemeinschaft bestehend aus .... (redaktioneller Hinweis: es folgen die Namen des Beklagten und der drei Kläger) unter Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben
a) eine Abrechnung über die von dem Kläger zu 3) als gerichtlich bestelltem Betreuer des Betreuten S, geb. am xx.xx.1930 in Lodz, verstorben am xx.xx.2012 in Herten, in der Zeit vom 10.02.2010 bis zum xx.xx.2012 getätigten Geschäfte zu erteilen, sowie
b) Auskunft über die durch ihn seit dem xx.xx.2012 vorgenommenen Verfügungen über Kontoguthaben und Nachlassgegenstände des Erblassers S, geb. am xx.xx.1930 in Lodz, verstorben am xx.xx.2012 in Herten, zu erteilen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 80 % und der Beklagte 20 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind die Kinder des am xx.xx.1930 geborenen und am xx.xx.2012 in Herten verstorbenen Erblassers S . Der Erblasser litt seit etwa 2005 an einer schweren dementiellen Erkrankung vom Typ Alzheimer mit aggressiven Impulsausbrüchen. Durch Beschluss des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 07.09.2009 wurde eine Betreuung für den Erblasser angeordnet und seine Ehefrau, S1, zur Betreuerin und der Kläger zu 3) als Zusatzbetreuer bestellt. Nachdem die Ehefrau des Erblassers am 25.12.2009 verstorben war, bestellte das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer am 29.01.2010 den Kläger zu 3) zum Betreuer mit umfassenden Wirkungskreis. Der Wirkungskreis der Ersatzbetreuung, die von der Klägerin zu 1) wahrgenommen wurde, wurde mit Beschluss vom 10.01.2011 auf deren Wunsch beschränkt. Die Ehefrau des Erblassers wurde von diesem allein beerbt. Der Kläger zu 3) legte beim Amtsgericht die angeforderten Betreuungsberichte für die Zeiträume vom 01.08.2010 bis 31.07.2011 und vom 01.08.2011 bis zum 31.03.2012 vor.
Der Erblasser wohnte bis Ende 2011 in seiner eigenen Immobilie und wechselte am 24.02.2012 in eine Pflegeeinrichtung. Der Erblasser wurde aufgrund einer schweren Exsikkose am 29.10.2012 notfallmäßig in das Klinikum W in R eingeliefert. Auf Wunsch des Klägers zu 3) wurde er am 30.10.2012 in das St. F-Pflegezentrum in Herten zurückverlegt. Eine Genehmigung nach § 1904 BGB wurde vom Kläger zu 3) nicht beantragt. Nachdem der Beklagte den Erblasser dort besucht hatte, wandte er sich mit Schreiben vom 05.11.2012 an das Amtsgericht und bat darum, den Wirkungskreis "Gesundheitsfürsorge" dem Betreuer zu entziehen und ihm zu übertragen. Zur Begründung gab er an, dass der Kläger zu 3) eine ausreichende medizinische Versorgung des Erblassers nicht gewährleiste.
Am 09.04.2013 legte der Kläger zu 3) dem Amtsgericht den Jahresbericht für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum Todestag am xx.xx.2012 vor. Nachdem der Beklagte auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Schlussrechnung nach Beendigung der Betreuung hingewiesen hatte, forderte das Amtsgericht den Kläger zu 3) am 24.07.2013 auf, die Rechnungslegung für die Zeit der Betreuung vorzulegen. Der Kläger zu 3) legte daraufhin eine Abrechnung des Girokontos, nicht jedoch eine Schlussrechnung über sämtliche Konten des Erblassers vor. In dem Prüfbericht vom 12.11.2014 wies das Betreuungsgericht darauf hin, dass eine ordnungsgemäße Schlussrechnungslegung fehlt.
Die Parteien beerbten den Erblasser zu je 1/4. Der bisher ungeteilte Nachlass bestand u.a. aus der Immobilie des Erblassers in H, die mittlerweile teilungsversteig...