Leitsatz (amtlich)
Kinesiologische Behandlungsverfahren dürfen nicht mit fachlich umstrittenen Wirkungsangaben beworben werden, wenn in der Werbung die Gegenmeinung nicht erwähnt wird.
Normenkette
HWG § 3; UWG § 5
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 15.03.2013; Aktenzeichen 22 O 143/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.3.2013 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es bei der Verurteilung zu Ziff. 1.5 statt "Sinnesfunktion" "Sinnesfunktionen" und bei der Verurteilung zu Ziff. 2. statt "Edu-Kinetik-BrainGym®" "Edu-Kinestetik-BrainGym®" und es im Anschluss an Ziff. 2.2 heißt: "wie jeweils geschehen im Internetauftritt der Beklagten unter der Domain www.kinesiologie-vbf.de gemäß Anlage K 1 (Bl. 10 - 50 d.A.)".
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere die Achtung darauf, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Die Beklagte bietet u.a. sog. "begleitende Kinesiologie" und "Edu-Kinestetik-BrainGym®" an. Ihre Angebote bewirbt sie im Internet unter der Domain www.xxxx-xxx.de. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Anlage K 1 (Bl. 10 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 6.9.2012 (Anlage K 2, Bl. 51. ff. d.A.) mahnte der Kläger die Beklagte ab. Er beanstandete, dass sie auf ihrer Internetseite für das Verfahren der Kinesiologie, für "Edu-Kinestetik-BrainGym®", für eine "Photon-Wave®-Farblichtunterstützung", ein "Elektrolyse Fußbad" und eine "Magnetfeld-Resonanz-Stimulation (vita-life®)" mit nicht belegten Wirkungsbehauptungen in irreführender Weise werbe und nicht über eine behördliche Erlaubnis zur Ausübung von Heilbehandlungen verfüge. Da die Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgab, erwirkte der Kläger gegen sie eine einstweilige Verfügung, die das LG Münster mit Beschl. v. 2.10.2012 - 022 O 111/12 - erlassen hat. Wegen des Inhalts der einstweiligen Verfügung wird auf die Anlage K 3 (Bl. 74 ff. d.A.) verwiesen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.10.2012 (Anlage K 5, Bl. 93 f. d.A.) gab die Beklagte eine Abschlusserklärung ab, soweit dies die angegriffenen Werbeangaben für die Verfahren "Photon-Wave®-Farblichtunterstützung", "Elektrolyse Fußbad" und "Magnetfeld-Resonanz-Stimulation (vita-life®)" und das Anbieten, Bewerben und Ausführen von Heilbehandlungen ohne behördliche Erlaubnis betrifft. Wegen der Werbeangaben für "Kinesiologie" und "Edu-Kinestetik-BrainGym®" lehnte sie hingegen die Abgabe einer Abschlusserklärung ab.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die angegriffenen Werbeaussagen verstießen als irreführende Heilmittelwerbung gegen § 3 Nr. 1 HWG; zugleich sei das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot nach § 5 UWG verletzt. Er hat unter Verweis auf das von der Stiftung Warentest herausgegebene Handbuch "Die andere Medizin" (dortiger Eintrag zur Kinesiologie gemäß Anlage K 6, Bl. 95 ff. d.A.) sowie auf die Internetdatenbank "Wikipedia", Stichwort "Kinesiologie" (Anlage K 7, Bl. 101 ff. d.A.) behauptet, die Kinesiologie und ihre Varianten seien zu Diagnosezwecken ungeeignet; auch sei eine therapeutische Wirksamkeit nicht belegt. Es handele sich um eine Pseudowissenschaft.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben:
1. für das Behandlungsverfahren "Kinesiologie":
1.1. "Auf sanfte Art werden die Selbstheilungskräfte aktiviert",
1.2. "Die Kinesiologie bietet Ihnen Unterstützung und Hilfe bei:
..."
1.2.1. "... Gesunderhaltung",
1.2.2. "... Steigerung der Leistungsfähigkeit",
1.3. "Unterstützung oder Beschleunigung des Genesungsprozesses",
1.4. "Linderung bei körperlichen Beschwerden",
1.5. "Optimierung des Lernpotentials und der Sinnesfunktion",
1.6. "Hilfe bei Allergien, Unverträglichkeiten und toxischen Belastungen",
1.7. mit dem Anwendungsgebiet:
1.7.1. "Narbenstörungen",
1.7.2. "Migräne",
1.7.3. "Rückenschmerzen",
1.7.4. "Verdauungsprobleme",
1.7.5. "Menstruationsschmerzen",
1.7.6. "Entgiftung",
1.7.7. "Burnout",
1.7.8. "Schlafstörungen",
1.7.9. "Nervosität",
1.7.10. "Depressionen",
1.8 "Mit sanftem Druck wird der Muskeltonus, z.B. am Arm, getestet. So erfahren wir, wo und wie der natürliche Energiefluss im Körper beeinträchtigt wird ... Kinesiologische Balancen bauen Stress ab und regen die Selbstheilungskräfte an",
2. für das kinesiologische Verfahren "Edu-Kinetik-BrainGym®":
2.1. "Verbesserung von Lernvoraussetzungen und Lernfähigkeiten",
2.2. "Auflösung von Energieblockaden zwischen den beiden Gehirnhälften".
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat mit näheren Ausführungen geltend gemac...