Entscheidungsstichwort (Thema)
Obliegenheitsverletzung durch Veränderung der Schadensstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Die Formulierung, die Schadenstelle möglichst unverändert zu lassen, stellt die Befolgung der Obliegenheit nicht in das Belieben des Versicherungsnehmers.
2. Die Obliegenheitsverletzung ist nicht nachweislich folgenlos geblieben, wenn dem Versicherer eine Erfolg versprechende Erkenntnismöglichkeit endgültig entzogen worden ist (im Anschluss an BGH VersR 2004, 1117).
3. Der Versicherer muss sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung nur der Sache nach berufen. Der Benennung der zutreffenden Vorschrift bedarf es nicht.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 11.03.2004; Aktenzeichen 15 O 7/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.3.2004 verkündete Urteil des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klägerin, die bei der Beklagten auf der Grundlage der AStB 87 eine "Gebäude-Vielschutz-Versicherung" unterhielt, nimmt die Beklagte auf Leistung wegen eines angeblich am Versicherungsort, einer Kraftfahrzeughalle auf dem Gelände "E.-kamp 28" in R., eingetretenen Sturmschadens in Anspruch.
Am Sonntag, dem 27.10.2002, stürmte es im Münsterland; es traten Orkanböen mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 150 km/h auf. Die Parteien streiten darüber, ob es dabei an dem Rolltor einer Kraftfahrzeughalle der Klägerin zu einem bedingungsgemäßen Sturmschaden gekommen ist.
Die Klägerin ließ durch die Fa. L. Tore GmbH am 28.10.2002 jedenfalls eine (Not)Reparatur an der Toranlage vornehmen, am selben Tage erstellte die Fa. L. GmbH auch ein schriftliches Angebot für die Kosten der endgültigen Reparatur, die sodann am Mittwoch, den 30.10.2002 vorgenommen wurde.
Erst danach, am 31.10.2002, zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass durch den Sturm an "ihrer Halle ein Sturmschaden" entstanden sei.
Ob zwischen Mitarbeitern der Parteien am 4.11.2002 nach zutreffender Schilderung der Situation durch die Klägerin eine Vereinbarung über die weitere Vorgehensweise getroffen wurde, ist streitig. Jedenfalls übersandte die Klägerin unter dem 16.12.2002 der Beklagten die zwischenzeitlich erstellte Rechnung der Fa. L. Tore GmbH vom 2.12.2002, die sich über einen Betrag von 6.929,84 Euro brutto verhielt.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 4.7.2003 ihre Leistung mit der Begründung ab, die Klägerin habe mit ihrer Vorgehensweise eine Leistungsprüfung unmöglich gemacht.
Die Klägerin hat mit ihrer daraufhin erhobenen Klage geltend gemacht: Am versicherten Objekt sei an dem Rolltor ein bedingungsgemäßer Sturmschaden eingetreten, zu dessen Beseitigung der abgerechnete Kostenaufwand erforderlich geworden sei.
Diesen habe die Beklagte zu ersetzen. Sie sei nicht aufgrund einer ihr, der Klägerin, vorzuwerfenden vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei: Aufgrund Art und Umfang des Schadens sei eine kurzfristige Schadensbehebung dringend notwendig gewesen, sie habe der Schadensminderung gedient.
Ihr, der Klägerin, könne auch nicht angelastet werden, dass sie erst nach der schon durchgeführten Reparatur den Schaden der Beklagten gemeldet habe - dies sei vermutlich entweder durch Arbeitsüberlastung oder ein Büroversehen, gekoppelt mit der Eilbedürftigkeit der Reparatur, bedingt gewesen.
Außerdem habe ihre, der Klägerin, Vorgehensweise keinen Einfluss auf die Feststellungen der Beklagten zur Leistungspflicht genommen: Denn auch wenn die Beklagte vor der Reparatur einen Kostenvoranschlag und Fotos erhalten hätte, hätte sie aufgrund der Vielzahl von Schadensfällen nach dem Sturm keine Einzelfallprüfung durchgeführt. Letztlich könne der Schadensfall auch heute noch durch Zeugen und Fotografien nachgewiesen werden.
Die Beklagte hat das Vorliegen eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalles bestritten und sich zudem auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen der Klägerin berufen: Die Klägerin habe gegen ihre Pflicht zur unverzüglichen Schadensanzeige (§ 13 Ziff. 1a AStB 87) verstoßen und außerdem gegen ihre allgemeine Aufklärungsobliegenheit (§ 13 Ziff. 1e AStB 87): Es liege auf der Hand, dass die Klägerin den Schaden nicht habe beseitigen dürfen, bevor sie ihn bei ihr, der Beklagten, angezeigt habe. Wäre sie, die Beklagte, vor Durchführung der Reparatur informiert worden, hätte sie einen Schadensregulierer mit der Begutachtung des Schadens beauftragt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 11.3.2004 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin angegeben, dass das bei dem Sturm beschädigte Tor wenige Wochen zuvor entsorgt worden sei. Angebote zur Besichtigung des Tores seien der Beklagten nicht unterbreitet worden.
Das LG hat mit seinem am Schluss der Sitzung verkündeten Urteil, auf das zur näheren Darstellung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Gegen das ihren Anwälten am 31.3.2004 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 29.4.2004 bei Gericht eingegangenen Berufung, die sie mit am 24.5....