Leitsatz (amtlich)
1. Werden bei einem Brandereignis Polizeibeamte zur Absicherung des Gefahrenortes eingesetzt und müssen sich danach wegen des Verdachts einer gesundheitlichen Schädigung einer ärztlichen Abklärung unterziehen, so kann der Dienstherr die hierfür entstehenden Behandlungskosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag vom Brandverursacher ersetzt verlangen (auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Beamten keinerlei Gesundheitsschädigung oder Körperverletzung davongetragen haben).
2. Eine schadensersatzrechtlich relevante Gesundheitsbeschädigung oder Körperverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB setzt eine gewisse Erheblichkeit voraus. Leichteste Zustandsveränderungen im Rahmen der Brandbreite üblicher, alltäglicher körperlicher Befindlichkeiten, die gemeinhin nicht als "krank" oder Beeinträchtigung der Gesundheit oder des Körpers angesehen werden, fallen nicht darunter.
Normenkette
BGB §§ 677, 683, 823, 831; LBG NW § 99 a.F., § 82 n.F.
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 12.04.2011; Aktenzeichen 2 O 35/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.4.2011 verkündete Urteil des LG Essen teilweise abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an das klagende Land 4.931,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.7.2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, das klagende Land von den Ansprüchen der Rechtsanwälte T, von der P und I, auf Zahlung vorgerichtlicher Kosten i.H.v. 256,62 EUR freizustellen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen das klagende Land 24 % und die Beklagte 76 %.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen das klagende Land 11 % und die Beklagte 89 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)
I. Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
1. Das klagende Land hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der ärztlichen Behandlungskosten für die Polizeibeamten O und I1 in der im Tenor genannten Höhe aus §§ 683, 677 BGB. Ein weitergehender Erstattungsanspruch (bzgl. der während des stationären Aufenthalts der Beamten gezahlten Dienstbezüge) besteht hingegen nicht.
a) Das klagende Land hat mit dem Einsatz der Polizeibeamten auch ein Geschäft der Beklagten geführt. Die Polizeibeamten waren zur Absperrung und Aufnahme von Personalien bei der Hauptverwaltung eines Kaufhauskonzerns in F eingesetzt worden, in dessen Räumlichkeiten es zu einer Reaktion von von Mitarbeitern der Beklagten zurückgelassenen Chemikalien mit erheblicher Rauchentwicklung gekommen war. Insbesondere die Absicherung des Gebäudes vor und während des Einsatzes der Feuerwehr war auch im Interesse der Beklagten und entsprach deren zumindest mutmaßlichen Willen, da so gewährleistet werden konnte, dass nicht etwa Dritte in den Gefahrenbereich gelangten oder Schaulustige den Feuerwehreinsatz behinderten. Das trug wiederum dazu bei, dass der Umfang des Schadens bzw. der Kreis etwaiger geschädigter Personen klein gehalten werden konnte. Dass die vom klagenden Land eingesetzten Polizeibeamten hier hoheitlich, zur Gefahrenabwehr, tätig geworden sind, hindert die Annahme einer privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag für die Beklagte nicht. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, sind die §§ 677 ff. BGB grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Verwaltungsträgern und Privatpersonen anwendbar. Die Annahme einer zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag der Verwaltung für den Bürger verbietet sich nicht einmal dann ohne weiteres, wenn die öffentliche Hand bei dem betreffenden Vorgang hauptsächlich zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten tätig geworden ist (BGH VersR 2007, 1707; BGH VersR 2004, 782; BGH NJW 1975, 47 [49]; BGH NJW 1963, 1825; str., vgl. Staudinger-Bergman BGB 2006 Vor. §§ 677 ff. Rz. 281 und MünchKomm/Seiler BGB, 5. Aufl. Vor § 677 Rz. 31).
b) Im Zuge dieses Einsatzes hatte das klagende Land Aufwendungen aufgrund der medizinischen Behandlung der beiden Polizeibeamten in der im Tenor genannten Höhe. Da die Polizeibeamten - zwar außerhalb des Gebäudes - aber in unmittelbarer Nähe zu dem sich entwickelnden Rauch eingesetzt waren und sich im Rauchgas der Gefahrenstoff "Trimethylhexamethylendiamin" der Gefahrenklasse 3 befand, der Atemwegsreizungen und Lungenödeme hervorrufen kann, was die Feuerwehr im Laufe ihres Einsatzes festgestellt hatte, war der Eintritt der Intoxikation bzw. der Umfang einer etwaigen Intoxikation sowie die Gefahr der Entstehung eines Lungenödems medizinisch abzuklären. Die entsprechenden ärztlichen Aufwendungen hierfür, die nach erstinstanzlicher Beweiserhebung durch Sachverständige in der Berufungsinstanz nicht mehr im Streit sind, waren angemessen.
Anderes gilt für die während des stationären Aufenthalts der Beamten vom klagenden Land weitergezahlten Dienstbezüge. Diese sind keine Aufwendungen i...