Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 10.12.2014; Aktenzeichen 21 O 51/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Münster vom 10.12.2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt Feststellung, dass das Vertriebspartnerverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 27.02.2014 nicht zum 31.05.2014, sondern erst zum 31.08.2014 beendet worden sei. Ferner verlangt sie auf der 1. Stufe der von ihr erhobenen Stufenklage die Erteilung von Abrechnungen für die Monate Juni, Juli und August 2014.
Die Beklagte stellt Reinigungsmittel her und vertreibt diese über so genannte Vertriebspartner im Strukturvertrieb. Die Vertriebspartner erwerben die Produkte der Beklagten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und verkaufen sie an Endverbraucher. Außerdem haben die Vertriebspartner die Möglichkeit, weitere Vertriebspartner für die Beklagte zu werben, die ihrer Vertriebsstruktur zugeordnet werden. Auf diese Weise entstehen Vertriebsstrukturen in Form eines "Stammbaums". An den Umsätzen, die die unmittelbar und mittelbar angeworbenen Vertriebspartner einer Vertriebsstruktur vermitteln, wird der erstwerbende Vertriebspartner, gewissermaßen der "Kopf des Stammbaumes", von der Beklagten jeweils mit Provisionen bzw. Boni beteiligt.
Die Klägerin war seit Juni 1999 als Vertriebspartnerin für die Beklagte tätig. Sie warb in dieser Zeit 56 neue Vertriebspartner, von denen aktuell noch 6 für die Beklagte tätig sind. Insgesamt gehörten zur "Z" der Klägerin 1300 Vertriebspartner. Im Qualifikations- und Bonussystem der Beklagten erreichte die Klägerin die 6. Stufe ("A") und verdiente im Durchschnitt der letzten 5 Jahre Boni in Höhe von mindestens 360.000 EUR jährlich. Zuletzt erfolgte die Zusammenarbeit der Parteien aufgrund eines Vertriebspartnervertrages vom 16.02.2005 (Anl. K4, Bl. 71 ff. der Akten). Gemäß § 15 Nr. 1 des Vertriebspartnervertrages sollte die ordentliche Kündigungsfrist 3 Monate zum Monatsende betragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertriebspartnervertrag Bezug genommen. Am 16.09.2008 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die Benutzung der Software "Z" (Anl. K6, Bl. 99 ff. der Akten), welche der zielorientierten Steuerung der Verkaufsaktivitäten der einzelnen Vertriebspartner durch die Klägerin dienen sollte. Zusammen mit weiteren Vertriebspartnern der Beklagten veranstaltete die Klägerin in 2012/2013 den Wettbewerb "Y" (Anl. B4, Bl. 147 ff. der Akten), wobei streitig ist, ob dies - wie die Klägerin behauptet - mit Einwilligung der Beklagten geschah. Mit Schreiben vom 27.02.2014 (Anl. K5, Bl. 97 f. der Akten) kündigte die Beklagte das Vertriebspartnerverhältnis ordentlich mit Wirkung zum 31.05.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Die Klägerin hat gemeint, zwar sei sie nicht als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig gewesen. Gleichwohl fänden die §§ 84 ff. HGB, jedenfalls aber § 89 HGB, analoge Anwendung auf das Vertriebspartnerverhältnis. Für eine solche Analogie müssten nicht sämtliche Merkmale eines typischen Handelsvertretervertrages vorliegen. Dementsprechend müsse der Vertrag eine Vertriebspflicht nicht expressis verbis vorschreiben. Ein mittelbarer Druck zum Vertrieb sei ausreichend, etwa die Vereinbarung erheblich motivierender Mindestverkaufsziele oder Verkaufs- bzw. Mengenboni. Dies sei vorliegend der Fall. Das gesamte Vergütungssystem der Beklagten beruhe auf solchen Mengenboni. Je höher der Umsatz der Struktur des Vertriebspartners mit der Beklagten sei, umso höher sei die Provisionsstufe. Damit sei offensichtlich, dass die Beklagte von Führungskräften und Strukturführern Vertriebstätigkeit erwarte. Wer die Früchte seiner Strukturaufbauarbeit ernten wolle, müsse nicht nur Mindestmengen abnehmen, sondern Mengen in ganz erheblichem Umfang, und zwar umso mehr, je höher er in der Qualifikationshierarchie aufgestiegen sei. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin auf das Marketingkonzept der Beklagten verwiesen (Anl. K1, Bl. 9 ff. der Akten).
Auch müsse die Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms nicht ausdrücklich geregelt sein. Vielmehr genüge es, wenn sich für den Vertriebsmittler die Folge ergebe, dass dem Unternehmer der fragliche Kundenstamm mit Name und Adresse bekannt werde, so dass sich daraus für das Unternehmen die Möglichkeit der weiteren Nutzung ergebe. So sei es hier. Der Strukturführer schreibe von ihm geworbene neue Vertriebspartner als Sponsoren im Vertriebssystem der Beklagten ein, womit ihr Name und Adresse bereits bei der Anwerbung bekannt werde. Die auf diese Weise geworbene Vertriebsstruktu...