Leitsatz (amtlich)
1. Insbesondere zuletzt das Urteil des EuGH vom 20.06.2024 - C-590/22 (BeckRS 2023, 35786) bestärkt den Senat in seiner Rechtsauffassung (OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 - 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 = juris Rn. 151-160; OLG Hamm Beschl. v. 21.12.2023 - 7 U 137/23, GRUR-RS 2023, 37310 = juris Rn. 6; dem folgend OLG München Urt. v. 24.4.2024 - 34 U 2306/23e, GRUR-RS 2024, 8563 = juris Rn. 32, Rn. 35 m.w.N.; OLG Oldenburg Urt. v. 21.5.2024 - 13 U 100/23, BeckRS 2024, 12013 = juris Rn. 43; OLG Saarbrücken Urt. v. 3.5.2024 - 5 U 72/23, GRUR-RS 2024, 10977 = juris Rn. 24; OLG Celle Urt. v. 4.4.2024 - 5 U 31/23, GRUR-RS 2024, 6435 = juris Rn. 67; OLG Köln Urt. v. 7.12.2023 - I-15 U 33/23, GRUR-RS 2023, 36757 = juris Rn. 39; OLG Dresden Urt. v. 5.12.2023 - 4 U 1094/23, GRUR-RS 2023, 36858 = juris Rn. 45; OLG Stuttgart Urt. v. 22.11.2023 - 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883 = juris Rn. 294), dass im Rahmen eines Anspruchs aus Art. 82 DSGVO ein mit einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung als negative Folge einhergehender Kontrollverlust als solcher die Annahme eines immateriellen Schadens nicht trägt.
2. Der Senat hält zudem weiter daran fest, dass es einer konkret individuellen Darlegung der über den Kontrollverlust hinausgehenden, kausal auf das Scraping zurückzuführenden persönlichen Beeinträchtigungen bedarf (vgl. Senat Urt. v. 15.8.2023 - 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 = juris Rn. 164 f.), die im Zweifel im Rahmen einer persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO im Hinblick auf die Beweislast des Klägers zur Überzeugung des Gerichts nach § 286 ZPO - hier gar widerlegt - festzustellen sind (BGH Beschl. v. 25.10.2022 - VI ZR 382/21, BeckRS 2022, 35153 Rn. 13, 15; BGH Urt. v. 26.2.2009 - I ZR 155/07, BeckRS 2009, 9695 Rn. 8).
3. Im Einzelfall kann es - wie hier - bereits an einem Kontrollverlust fehlen, wenn die gescrapte Handynummer vor dem Scrapingvorfall schon unmittelbar oder mittelbar an einen unbestimmten Kreis weitergegeben worden ist (im Anschluss an OLG Köln Urt. v. 7.12.2023 - I-15 U 33/23, GRUR-RS 2023, 36757 = juris Rn. 37).
Normenkette
DSGVO Art. 5-7, 15, 25, 32, 82, 99 Abs. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1, §§ 259, 890 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 02 O 33/23) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.11.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Detmold (2 O 33/23) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird im Hinblick auf den Antrag zu 1) zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte betreibt die Plattform Facebook, die Klägerin nutzt diese. Die Parteien streiten um die Rechtsfolgen einer von der Klägerin geltend gemachten Verletzung der Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung. Insbesondere macht die Klägerin einen immateriellen Schaden geltend.
Im Zeitraum von Januar 2018 bis September 2019 kam es bei der Beklagten zu einem Scraping-Vorfall, bei dem Unbekannte auch die Daten der Klägerin abgriffen. Der Senat geht dabei davon aus, dass den Scrapern dies mittels Generierung von Telefonnummern gelang und sie die gescrapten Daten wie folgt zusammenstellten:
NutzerID
Vorname
Nachname
Land
Geschlecht
Telefonnummer
Wegen der Einzelheiten wird auch auf das Senatsurteil vom 15.08.2023 (Senat Urt. v. 15.8.2023 - 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 = juris Rn. 3-22), dem insoweit ein identischer Ablauf zugrunde liegt, verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands vor dem Landgericht, insbesondere der gestellten Anträge, wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 07.11.2023, berichtigt durch Beschluss vom 20.12.2023, Bezug genommen (Bl. 523 ff., 554 ff. der erstinstanzlichen elektronischen Akte, im Folgenden: eGA I-Bl.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, den Antrag zu 1 mit der Begründung, es fehle an einem Schaden. Der mit den Datenschutzverstößen einhergehende Kontrollverlust stelle keinen Schaden dar. Einen immateriellen Schaden in Form einer persönlichen oder psychologischen Beeinträchtigung habe die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (eGA I-530 ff.).
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin. Wegen der einzelnen Berufungsangriffe wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung vom 15.04.2024 Bezug genommen (Bl. 85 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden: eGA II-Bl.).
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Erme...