Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung. Berufung. Diebstahl geringwertiger Sachen. Bagatellschaden. Freiheitsstrafe. gesetzliches Mindestmaß
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung, wenn im Urteil des Erstgerichts weder eine Schuldunfähigkeit des Täters noch seine erheblich verminderte Schuldfähigkeit erörtert wurden und das Berufungsgericht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit bejaht.
2. Zur Bedeutung des Leistungsverhaltens für die Beurteilung der Schuldfähigkeit bei alkoholgewohnten Tätern.
3.a) Die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe jenseits des gesetzlichen Mindestmaßes von einem Monat kann auch bei einer Diebstahlstat mit nur bagatellhaftem Schaden noch schuldangemessen sein. Ob eine solche Freiheitsstrafe rechtsfehlerfrei verhängt werden kann, bestimmt sich im Rahmen einer Gesamtschau aller strafzumessungsrelevanten Kriterien (§ 46 StGB), nicht allein nach der Schadenshöhe.
b) Der Senat würde es als dem Gebot einer gleichen und gerechten Strafanwendung geradezu zuwiderlaufend ansehen, wenn der besonders unbelehrbare Täter, der schon vielfach bestraft wurde und Hafterfahrung hat, allein unter dem Gesichtspunkt eines bagatellhaften Schadens in keinem Fall mit einer höheren Freiheitsstrafe als einer solchen von einem Monat belegt werden könnte und damit dem Täter gleichgestellt würde, bei dem erstmals unter Anwendung der Regelung des § 47 StGB auf eine kurzzeitige Freiheitsstrafe von einem Monat bei einer Tat mit bagatellhaftem Schaden erkannt würde, wenn ansonsten vergleichbare Umstände vorlägen.
Normenkette
StGB § 242; StPO § 318; StGB §§ 20-21, 46-47
Verfahrensgang
LG Siegen (Aktenzeichen 11 Ns 25/14) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche verurteilt wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens, jedoch wird die Gebühr für das Revisionsverfahren um 1/3 ermäßigt. Die Landeskasse hat 1/3 der dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, zu Lasten des Angeklagten eingelegte, Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Rechtsfolgenausspruch abgeändert und den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Das Landgericht ist von einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung ausgegangen und hat folgende amtsgerichtliche Feststellungen zu Grunde gelegt:
Am 22.08.2013 entnahm der Angeklagte aus der Auslage der Fa. S eine Flasche Wodka zum Preis von 4,99 Euro, steckte sich diese in den Hosenbund, um damit das Geschäft zu verlassen, ohne diese zu bezahlen und um sie für sich zu behalten. Er stand dabei erheblich unter Alkoholeinfluss. Eine Atemalkoholkontrolle ergab einen Wert von 1,45 mg/l.
Ergänzend hat das Landgericht (u.a.) festgestellt, dass der (vielfach - auch einschlägig - vorbestrafte) Angeklagte seit etwa zehn Jahren "missbräuchlichen, teils exzessiven Alkoholkonsum" betreibt. Er treffe sich mit Gleichgesinnten in der "Trinkerszene". Aus seinem Alkoholkonsum resultierten sein berufliches "Aus" wie auch seine Delinquenz. Am Tattag habe der Angeklagte etwa eine Flasche Wodka zu sich genommen. Nähere Feststellungen zu genauer Trinkmenge und Trinkzeiten seien nicht möglich gewesen. Die Tat sei gegen 18.25 Uhr verübt, die Atemalkoholmessung sei um 19.15 Uhr vorgenommen worden. Ein Arzt habe die Gewahrsamsfähigkeit des Angeklagten festgestellt.
Im Rahmen der Strafzumessung legt das Landgericht dann den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen zu Grunde, weil angesichts eines von der Atemalkoholanalyse auf BAK-Werte umgerechneten BAK-Wertes von 3,27 Promille zum Tatzeitpunkt die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit sei nicht gegeben gewesen (wird von der Strafkammer näher - insbesondere im Hinblick auf das auch nach der Tat gezeigte Leistungsverhalten -mbegründet).
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er führt u.a. aus, dass der Schuldspruch fehlerhaft sei, da sich nicht ergebe, ob der Angeklagte schuldfähig gewesen sei oder nicht. Er rügt weiter, dass die Kammer sich von seiner Schuldfähigkeit ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen überzeugt habe. Auch sei die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen einen alkoholkranken Angeklagten unverhältnismäßig. Er hat zuletzt beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abzuändern, dass er zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zuletzt beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahing...