Leitsatz (amtlich)

Händigt ein Bauherr einem Subunternehmer zur Ermöglichung der Werkleistung einen Generalschlüssel unmittelbar aus, ohne den Hauptunternehmer hierüber zu informieren, so ist der Subunternehmer gleichwohl Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB mit der Folge, dass der Hauptunternehmer dem Bauherrn für den Verlust des Schlüssels haftet. Der Bauherr muss sich jedoch ein Mitverschulden anrechnen lassen.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 23.06.2006; Aktenzeichen 43 O 120/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 23.6.2006 verkündete Urteil des LG Essen teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 3.261,58 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.3.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Nichtrückgabe des Generalschlüssels zu, der jedoch um einen hälftigen Mitverschuldensanteil zu kürzen ist.

1. Anspruchsgrundlage ist abweichend von dem landgerichtlichen Urteil nicht § 280, sondern § 281 BGB in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung.

Grundsätzlich sind die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen des BGB anwendbar, auch wenn der zugrundeliegende Vertrag unter Einbeziehung der VOB/B abgeschlossen worden ist (vgl. Ingenstau/Korbion/Wirth, VOB, 15. Aufl., Rz. 8 zu § 10 Nr. 1 VOB/B; LG Köln SFH Z 2.10 Bl. 69).

Die Nichtrückgabe des Schlüssels stellt jedoch nicht die Verletzung einer allgemeinen vertraglichen Verhaltenspflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB (nach früherem Recht: positive Forderungsverletzung) dar. Die Pflicht zur Rückgabe eines ausgehändigten Schlüssels ist vielmehr, auch wenn sie - ebenso wie z.B. die Pflicht zur Rückgabe einer Mietsache gem. § 546 BGB - nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, eine echte (Neben-)Leistungspflicht, weil bei ihr Verzug und die nach früherem Recht sog. Unmöglichkeit denkbar sind. Es geht hier auch um Schadensersatz "statt" der Leistung, nämlich anstatt der Rückgabe des Schlüssels in natura, denn wenn diese Rückgabe noch rechtzeitig vor dem Austausch der Schließanlage erfolgt wäre, hätte es des Austausches nicht bedurft.

2. Aus dem geschlossenen Werkvertrag ergab sich für die Beklagte als Unternehmerin die Pflicht, von der Klägerin als Bestellerin zwecks Ausführung der vertraglichen Werkleistung überlassene Gegenstände nach Abschluss dieser Werkleistung zurückzugeben. Bei dem fraglichen Generalschlüssel handelte es sich um solch einen der Werkleistung dienlichen Gegenstand. Diesem Zusammenhang mit der Werkleistung steht nicht entgegen, dass die Aushändigung eines Generalschlüssels möglicherweise nicht zwingend notwendig gewesen wäre, um die Leistung ausführen zu können, sondern der Zugang zu den Reinigungsobjekten auch anders hätte ermöglicht werden können. Ferner steht dem Zusammenhang mit den Reinigungsarbeiten nicht entgegen, dass diese bei Übergabe des Schlüssels (30.7.2002 lt. Schlüsselausgabeliste) schon beendet gewesen wären; die Beklagte hat nämlich in der Berufungsbegründung eingeräumt, dass jedenfalls "Anfang August an einem Tag untergeordnete Nachreinigungen geleistet" worden seien.

Die genannte Rückgabepflicht gilt auch bezüglich Gegenständen, die nicht dem Unternehmer selbst bzw. bei diesem angestellten Mitarbeitern, sondern von dem Unternehmer beauftragten Dritten - selbständigen Subunternehmern und deren Mitarbeitern - zur Ermöglichung der Werkleistung überlassen werden. Die Frage, ob der Besteller gehalten ist, den Hauptunternehmer von einer solchen Überlassung zu informieren (s. dazu unten), berührt das Bestehen der Rückgabepflicht als solcher nicht.

3. Dass die Klägerin den Generalschlüssel tatsächlich an einen Mitarbeiter einer Subunternehmerin der Beklagten, Herrn T von der Fa. C, übergeben hat, steht zur Überzeugung des Senats fest.

Die Fa. C war unstreitig von der Beklagten bei den von dieser geschuldeten Reinigungsarbeiten als Subunternehmerin eingesetzt. Ebenso unstreitig ist, wie der Beklagtenvertreter auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt hat, Herr T als Mitarbeiter der Fa. C im Rahmen dieser Werkleistung tätig geworden.

Die ergänzende Vernehmung des Zeugen I vor dem Senat hat die Feststellung des LG, dass Herr T den Schlüssel von der Klägerin ausgehändigt bekommen hat, als richtig bestätigt. Der Zeuge hat den fraglichen Vorgang nunmehr noch etwas detaillierter geschildert als es sich aus dem Protokoll der landgerichtlichen Vernehmung ergab. Er hat bekundet, von der Bauleitung der Klägerin nicht nur den Namen des Herrn T mitgeteilt, sondern Herrn T auch persönlich vorgestellt bekommen zu haben als diejenige Person, die zur Ausführung der Reinigungsarbeiten eine...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge