Entscheidungsstichwort (Thema)
Urkundenunterdrückung. Nachteilszufügungsabsicht. Täter-Opfer-Ausgleich
Leitsatz (amtlich)
Die Wegnahme einer Geldbörse in dem Wissen, dass sich darin Personalpapiere befinden könnten, indiziert nicht die von § 274 StGB vorausgesetzte Nachteilszufügungsabsicht.
Zu den Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a StGB.
Normenkette
StGB §§ 274, 46a
Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 07.05.2019; Aktenzeichen 51 Ls 57 Js 755/18 (45/19)) |
AG Hagen (Entscheidung vom 19.02.2020; Aktenzeichen 94 Ds 600 Js 994/18 (3/19)) |
LG Essen (Entscheidung vom 28.02.2020; Aktenzeichen 33 Ns 70/19) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch und insoweit, als von der Anordnung der Einziehung von Wertersatz abgesehen worden ist, mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Essen hat die Angeklagte am 07. Mai 2019 wegen vollendeten Diebstahls in drei Fällen, versuchten Diebstahls und wegen Computerbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es gegen sie die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 4.590,00 Euro angeordnet.
Gegen das Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die Angeklagte hatte ein unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt, welches aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft ebenfalls als Berufung durchgeführt wurde. Mit Urteil vom 28. Februar 2020 hat das Landgericht die Berufung der Staatsanwaltschaft Essen als unbegründet verworfen. Auf die Berufung der Angeklagten hat es das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 07. Mai 2019, Az. 51 Ls 57 Js 755/18 (45/19), im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 19. Februar 2020, Az. 94 Ds 600 Js 994/18 (3/19), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Von der Einziehung von Wertersatz sah es ab. Gegenstand der einbezogenen Verurteilung war ein Diebstahl, den die Angeklagte am 11. Dezember 2018 begangen hatte. Das Amtsgericht Hagen hatte sie wegen dieser Tat mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten belegt, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden war.
Die Staatsanwaltschaft Essen hat gegen das Berufungsurteil fristgemäß Revision eingelegt und diese mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.
Die Angeklagte hat beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision der Staatsanwaltschaft Essen beigetreten und hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen.
II.
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache - zumindest vorläufig - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie führt aufgrund der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch und auch insoweit, als von der Anordnung der Einziehung von Wertersatz abgesehen worden ist (§ 73 StGB).
1.
Soweit sich die Revision aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge auch gegen den Schuldspruch wendet, ist sie allerdings als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils insoweit keine Rechtsfehler ergeben hat. Die Revision beanstandet zu Unrecht, dass das Landgericht hinsichtlich der Diebstahlstaten zum Nachteil der Zeuginnen T, L und H die Angeklagte nicht auch wegen tateinheitlich begangener Urkundenunterdrückung nach § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt hat. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft Essen hat das Landgericht ein Handeln der Angeklagten in der Absicht im Sinne dieser Vorschrift abgelehnt, einem anderen Nachteil zuzufügen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete die Angeklagte in der Zeit vom 17. Mai 2018 bis zum 27. Juni 2018 gemeinsam mit ihrer Schwester Geldbörsen von betagten Tatopfern. Ihre Absicht sei es gewesen, sich das darin befindliche Bargeld zu verschaffen und mit den in den Geldbörsen befindlichen EC-Karten weitere Bargeldbeträge von deren Konten abzuheben, um sich auf diese Weise eine zusätzliche, nicht unerhebliche Einnahmequelle von gewisser Dauer zu verschaffen.
So entwendete die Angeklagte unter dem 17. Mai 2018 der Geschädigten T deren Geldbörse, in der sich neben 290,00 Euro Bargeld und einer EC-Karte auch der Personalausweis der Zeugin befand. Am 25. Mai 2018 entwendete die Angeklagte die Geldbörse der Zeugin L mit 130,00 Euro Bargeld, EC-Karte sowie Personalausweis und Führerschein. Unter dem 27.06.2018 nahm sie die Geldbörse der Geschädigten H mitsamt Inhalt, 220,00 Euro Bargeld, eine EC-K...