Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit eines Teilurteils wegen Gefahr widersprechender Entscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Teilurteil ist unzulässig, wenn es durch das über den Rest ergehende Schlussurteil noch berührt werden kann, mithin die Gefahr widersprechender Entscheidungen gegeben ist.

Bei mehrfacher Begründung eines Klageanspruchs ist die Klage im Berufungsverfahren unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht schon deshalb abzuweisen, weil ein einzelner Grund nicht durchgreift. Vielmehr müssen sämtliche weiteren Klagegründe rechtlich gewürdigt werden.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 31.03.2004; Aktenzeichen 21 O 329/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.3.2004 verkündete Teilurteil der 21. Zivilkammer des LG Dortmund mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Teilurteil des LG Dortmund vom 31.3.2004 (Bl. 358 ff. d.A.).

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags zur Sache rügt die Beklagte die Unzulässigkeit des von ihr angegriffenen Teilurteils, da die mit der Klage sowie der Hilfswiderklage verfolgten Ansprüche miteinander in unmittelbarem Zusammenhang stünden.

Die Beklagte beantragt, das Teilurteil des LG Dortmund (Az. 21 O 329/02) vom 31.3.2004 aufzuheben und den Rechtsstreit zurückzuverweisen;

hilfsweise: unter Abänderung des Teilurteils des LG Dortmund (Az. 21 O 329/02) vom 31.3.2004 die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das gefochtene Teilurteil. Dieses sei zulässig, da Klage und Hilfswiderklage unterschiedliche Streitgegenstände beträfen. Im Übrigen wiederholen und vertiefen auch die Kläger ihren erstinstanzlichen Sachvortrag, insb. zur von ihnen angenommenen Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Fa. O. GmbH nebst Vollmacht und zur von ihnen behaupteten "sittenwidrigen Überfinanzierung".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die überreichten Schriftsätze und die zu den Akten gelegten Unterlagen Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt.

Auch in der Sache hat sie Erfolg.

Das angefochtene Teilurteil ist unter Verstoß gegen § 301 ZPO und damit in unzulässiger Weise ergangen.

Ein Teilurteil darf nur erlassen werden, wenn es durch das über den Rest ergehende Schlussurteil unter keinen Umständen mehr berührt werden kann, wenn die Entscheidung über den Teil also unabhängig davon ist, wie der Streit über den Rest ausgeht, mithin die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (BGH v. 16.6.1992 - XI ZR 302/90, MDR 1993, 177 = NJW-RR 1992, 1339 [1340]; v. 29.10.1986 - IVb ZR 88/85, MDR 1987, 301 = NJW 1987, 441 f.) Eben dies kann - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht schon dann bejaht werden, wenn, wie vorliegend, Klage und (Hilfs-)Widerklage verschiedene Streitgegenstände betreffen, mag umgekehrt auch die Verschiedenheit der Streitgegenstände bzw. die Teilbarkeit eines einheitlichen Streitgegenstandes (weitere) Zulässigkeitsvoraussetzung für den Erlass eines Teilurteils sein (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 301 Rz. 4 ff.). Tatsächlich ist durch das hier erlassene Teilurteil - trotz der streitgegenständlichen Verschiedenheit von Klage und Hilfswiderklage - die Gefahr widersprechender Entscheidungen geschaffen worden:

Insoweit kann dahinstehen, ob diese Gefahr nicht allein schon aufgrund der hier nur hilfsweise erfolgten Erhebung der - dem Senat mangels diesbezüglicher erstinstanzlicher Entscheidung nicht angefallenen - Widerklage besteht. Hierfür spricht jedenfalls, dass im Falle einer - unterstellten - sachlichen Abänderung des Teilurteils nebst Klageabweisung durch den Senat dem weiteren erstinstanzlichen Verfahren über die Hilfswiderklage die Grundlage entzogen würde; der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorausgesetzte "Widerspruch" zwischen Teil- und Schlussurteil wäre damit in der Weise zugespitzt, dass Letzteres gar nicht mehr ergehen könnte bzw., wäre es zuvor bereits ergangen, wirkungslos würde.

Die Gefahr widersprechender Entscheidungen folgt hier jedenfalls daraus, dass der Senat im Rahmen einer auf die Begründetheit der Klage eingehenden Berufungsentscheidung möglicherweise auch über rechtliche Aspekte zu befinden hätte, die auch für die noch in erster Instanz anhängige Hilfswiderklage von ausschlaggebender Bedeutung sein könnten:

Der sich gem. § 528 ZPO nach den Anträgen der Parteien bestimmende Streitgegenstand der Berufung ist vorliegend die erstinstanzliche Entscheidung, mit der der auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung der Beklagten in das persönliche klägerische Vermögen aus der notariellen Urkunde ...

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