Leitsatz (amtlich)
Die generelle Erweiterung einer nach § 912 BGB bestehenden Duldungspflicht um eine sog. "Funktionsfläche", die einem Wege- und Fahrrecht gleichkommt, ist nicht möglich.
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 22.05.2012; Aktenzeichen 6 O 28/12) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.5.2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Hagen abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger sind seit dem 11.5.1978 Eigentümer (zu je 1/2-Anteil) des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks G, Flur X, Flurstück X, eingetragen im Grundbuch von Hagen Blatt... (postalische Anschrift: I-T2 in Hagen; Größe: 469 qm). Die Beklagten sind Eigentümer des ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flurstück X (postalische Anschrift: I-T2 13 in Hagen; Größe: 500 qm). Zu dem Grundstück der Kläger gehört auch eine Garage, die im Jahre 1956 von dem damaligen Eigentümer, Herrn T2 sen., errichtet wurde. Diese ca. 3,20 m breite und ca. 5 m tiefe Garage steht auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze und mithin zu einem Teil auch auf dem Grundstück der Beklagten. Diese haben das Grundstück im Jahre 2008 von Herrn T2 jun., dem Sohn und Erben des vorgenannten Garagenerbauers, der im Zeitpunkt der Errichtung der Garage Eigentümer beider Grundstücke war, erworben. Die Beklagten wurden auf Grund der Auflassung vom 8.2.2009 am 27.5.2009 als Eigentümer zu je 1/2-Anteil im Grundbuch von Hagen, Blatt..., eingetragen. Die Beklagten haben zwischenzeitlich Wohnungs- und Teileigentum gebildet, welches am 27.8.2009 in das Grundbuch von Hagen, Blätter...1 bis...2, übertragen wurde.
Um die Garage nutzen zu können, müssen die Kläger einen Teil des Grundstücks der Beklagten überfahren, denn die Garagenzufahrt befindet sich zu einem Teil auf dem Grundstück der Beklagten. Dies wurde durch die vorherigen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten, die Herren T sen. und jun., in der Vergangenheit geduldet.
Die Klägerseite hat zunächst unwidersprochen vorgetragen, die Garage befinde sich in etwa einer Breite von 0,80 m auf dem Grundstück der Beklagten. Im Laufe des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens haben die Beklagten die Grundstücksgrenze neu vermessen lassen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Garage etwa zur Hälfte auf dem Grundstück der Beklagten steht (vgl. Grenzniederschrift vom 21.5.2012, Bl. 100 ff. GA).
Vor der Veräußerung des Grundstücks an die Beklagten schlossen die Kläger und T2 jun. eine notarielle Vereinbarung, die sicherstellen sollte, dass die Kläger die Garage wie gegeben belassen und mit ihrem Kfz nutzen konnten und durften; sowohl Bestand als auch die weitere Nutzung der Garage sollte auch gegenüber neuen Eigentümern des mit dem Überbau belasteten Grundstücks sichergestellt werden.
In der notariellen Urkunde des Notars T aus Hagen vom 9.9.2008 (UR-Nr. S.6/2008) heißt es unter der "Vorbemerkung" u.a. wie folgt:
"... Die auf dem Grundstück der Erschienenen zu 2) (Anmerkung des Senats: die hiesigen Kläger) im Jahre 1956 errichtete Garage wurde über die gemeinsame Grundstücksgrenze hinaus gebaut und steht teilweise auf dem Grundstück des Erschienenen zu 1) (Anmerkung des Senats: Herr T2 jun.).
Die Garage und der Überbau sind in dem dieser Verhandlung beigefügten Lageplan des Katasteramtes vom 12.1.1994 rot eingezeichnet. Der Lageplan ist Bestandteil dieses Vertrages und diesem Vertrag als Anlage beigefügt."
Unter § 1 der Urkunde heißt es:
"§ 1 Duldung des Überbaues
Der Erschienene zu 1) hat dem erfolgten Überbau seines Grundstücks G 12 Flurstück X nicht widersprochen und den Überbau geduldet.
Der Erschienene zu 1) verpflichtet sich gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der G 12 Flurstück X, den erfolgten Überbau auch künftig zu dulden."
Weiter heißt es unter § 2 Grunddienstbarkeitsbestellung:
"Der Erschienene zu 1) bestellt auf seinem Grundstück ... zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks ... eine Grunddienstbarkeit des Inhalts, den erfolgten Überbau laut beigefügtem Lageplan zu dulden und bewilligt und beantragt die Eintragung einer Grunddienstbarkeit in seinem Grundbuch an rangbereitester Stelle."
Die Grunddienstbarkeit wurde am 26.9.2008 im Grundbuch von Hagen, Blatt... eingetragen. Die Eintragung lautet wie folgt:
"Grunddienstbarkeit (Duldung des Überbaus) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Hagen Flur X Flurstück X (Blatt...). Bezug: Bewilligung vom 9.9.2008 ...".
Die Lage der Garage sowie der beiden Grundstücke ergibt sich aus dem Lageplan des Katasteramtes, welcher als Anlage zur notariellen Urkunde genommen wurde sowie aus der Grenznie...