Leitsatz (amtlich)
Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (hier: 121 km/h statt zugelassener 50 km/h) durch einen vorfahrtsberechtigten Mototrradfahrer gegenüber einem aus einer rechtsseitig gelegenen, untergeordneten Autobahnabfahrt nach links hin abbiegenden PKW Fahrer rechtfertigt eine Haftungsverteilung von 30 % zu 70 % zu Lasten des Motorradfahrers.
Normenkette
StVG § 7; StVO §§ 3, 8
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 15.01.2015; Aktenzeichen I-4 O 260/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.01.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Arnsberg - 4 O 260/14 - teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 30 % aller künftig entstehenden und bereits entstandenen Aufwendungen zu ersetzen, die erforderlich sind, um die Verletzungen ihres Versicherten, Herrn D, aus Anlass des Verkehrsunfalles vom 25.09.2011 zu behandeln; vorgerichtlich von der Beklagten zu 2) erbrachte Zahlungen sind zu berücksichtigen.
Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 10 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 90 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 64 R f. = 68 R f. GA) verwiesen. Dabei ist ergänzend anzumerken, dass die Klägerin ausweislich ihrer Ausführungen auf S. 6 der Klageschrift (Bl. 6 GA) bereits in erster Instanz ihr Feststellungsbegehren der Sache nach - entgegen der erstinstanzlichen Antragsfassung - nicht nur auf zukünftige Aufwendungen, sondern auch auf bereits entstandene Aufwendungen (unter Berücksichtigung der unstreitig bereits von der Zweitbeklagten auf Basis einer außergerichtlich für den Fall einer gütlichen Einigung angebotenen Haftungsquote von 15 % gezahlten rd. 22.000 EUR) bezogen hat.
Wegen der Unfallörtlichkeit, der Endstellungen/Spurenlage und der Fahrzeugschäden wird Bezug genommen auf die polizeiliche Unfallskizzen (Bl. 8 und 39 der beigezogen Ermittlungsakten 312 Js 340/11 Staatsanwaltschaft Arnsberg), die polizeilichen Fotos (Bl. 10 ff. und Bl. 40 der vorgenannten BeiA), sowie die weiteren Fotos und Skizzen, die der Sachverständige Dipl.-Ing. T im Ermittlungsverfahren als Anlage zum dort eingeholten schriftlichen Gutachten (vgl. Bl. 38, 41 ff. der o.g. Beiakten) sowie als (lose bei den Akten befindliche) Anlagen zum im Senatstermin vom 23.02.2016 erstatteten ergänzenden mündlichen Gutachten überreicht hat.
Das LG, dem die Ermittlungsakten 312 Js 340/11 Staatsanwaltschaft Arnsberg vorgelegen haben, hat - ohne vorherige Parteianhörung und Beweisaufnahme - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Eine Ersatzpflicht der Beklagten nach §§ 7, 18, 17 StVG, 823 BGB, 115 VVG sei insgesamt zu verneinen. Dabei könne offen bleiben, ob der Unfall für den Beklagten zu 1) i.S. des § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar gewesen sei. Jedenfalls führe die nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung zum gänzlichen Zurücktreten des Verursachungsanteils des Beklagten zu 1). Dem Versicherten der Klägerin sei als unfallursächliches Verschulden neben der ganz erheblichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot anzulasten; insoweit liege keine unverschuldete Fehlreaktion vor, weil der Versicherte der Klägerin zu der Gefahrenlage selbst maßgeblich durch die grobe Missachtung der Tempobeschränkung beigetragen habe, Demgegenüber sei ein ins Gewicht fallendes unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1) nicht feststellbar. Dieser sei zwar unstreitig an sich wartepflichtig gewesen, hätte zum Zeitpunkt seines Einfahrens in den Einmündungsbereich unstreitig das sich von links nähernde Krad des Versicherten der Klägerin wahrnehmen können und habe grundsätzlich auch mit einer Tempoüberschreitung rechnen müssen, wobei eine Fehleinschätzung des Tempos grundsätzlich zu seinen Lasten gehe. Mit einer derart hohen Tempoüberschreitung, wie sie hier vorgelegen habe, habe der Beklagte zu 1) indes vernünftigerweise nicht mehr rechnen müssen, so dass ihm hier auch eine etwaige Fehleinschätzung der Annäherungsgeschwindigkeit des Krades nicht mehr vorgeworfen werden könnte. Jedenfalls trete ein - etwa gleichwohl angenommenes - Verschulden des Beklagten zu 1) hier ganz hinter dem groben Verschulden des Versicherten der Klägerin zurück. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs (NJW 1984, 1962) betreffe den nicht vergleichbaren Fall der Kollision eines L...