Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensermittlung im Rahmen des Trennungsunterhalts - Keine Vermögensverwertungspflicht in Trennungsphase; Abzug des Kindesunterhalts in Höhe des Zahlbetrags bei Bestimmung des bedarfsprägenden Einkommens
Leitsatz (amtlich)
Bei der Bestimmung der Höhe des bedarfsprägenden Einkommens im Rahmen der Ehegattenunterhaltsberechnung ist der Kindesunterhalt mit dem Zahlbetrag vom Einkommen in Abzug zu bringen. Bei einem minderjährigen Kind, das von einem Elternteil betreut wird, ist hierzu gem. § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB in der ab dem 1.1.2008 gültigen Fassung von dem Tabellenbetrag das hälftige Kindergeld abzusetzen.
Normenkette
BGB §§ 1361, 1612b Abs. 1 Nr. 1; BGB n.F. § 1612b
Verfahrensgang
AG Essen-Borbeck (Aktenzeichen 21 F 33/07) |
Gründe
... Einkommen des Beklagten
Das bereinigte Nettoeinkommen des Beklagten vor Abzug des Kindesunterhalts beläuft sich auf monatlich 2.544,34 EUR
und das für die Berechnung des Trennungshalts nach dem Halbteilungsgrundsatz einzusetzende Einkommen nach Abzug des Kindesunterhalts auf 1.340,64 EUR...
f) Der sich auf der Grundlage des obigen Zahlenwerks errechnende Verdienst von 3.345,22 EUR ist nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2008) an sich der 6. Einkommensgruppe zuzuordnen. Zur Wahrung des Bedarfskontrollbetrages und wegen der Anzahl der Unterhaltsberechtigten hält der Senat aber eine Herabstufung um eine auf die fünfte Einkommensgruppe für angemessen.
g) Dabei ist nach Auffassung des Senats gem. § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB in der seit dem 1.1.2008 gültigen Fassung auch im Rahmen der Bestimmung des bedarfsprägenden Einkommens des unterhaltspflichtigen Ehegatten der Unterhalt des minderjährigen Kindes nicht mit dem Tabellenbetrag, sondern mit dem geschuldeten Zahlbetrag (Tabellenbetrag abzgl. hälftiges Kindergeld) vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen in Abzug zu bringen (so auch Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778, 779; Dose, FamRZ 2007, 1289, 1292; Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2028; Klein, Das neue Unterhaltsrecht 2008, S. 196; vgl. auch die unterhaltsrechtlichen Leitlinien zum 1.1.2008 der OLG Bremen zu 15.2.; Bamberg zu 15.2.; Brandenburg zu 15.1; Celle zu 15.2., Dresden zu 15.2.; Düsseldorf zu B. III.; Hamburg zu 15.2.; Karlsruhe zu 15.2; Koblenz zu 15.1; München zu 15.2; Nürnberg zu 15.2.; Rostock zu 15.2.; abweichend: OLG Hamm zu 15.2.3 bei minderjährigen Kindern; Naumburg zu 15.2.; Oldenburg zu 15.1; Stuttgart zu 15.2. bei minderjährigen Kindern mit Angemessenheitskontrolle).
Wie sich aus § 1612b Abs. 1 S. 2 BGB n.F. ergibt, mindert das Kindergeld den Barbedarf des Kindes. Dem Kindergeld kommt demnach die gleiche unterhaltsrechtliche Wirkung zu, wie dem bereinigten Eigeneinkommen des Kindes, das bei minderjährigen Kindern wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) hälftig auf den Bar- und den Betreuungsunterhalt (vgl. etwa BGH FamRZ 1988, 159) und bei volljährigen Kinder in vollem Umfang auf den Bedarf angerechnet wird mit der Folge, dass sich die hieraus resultierende Entlastung des Barunterhaltspflichtigen auch auf die Höhe des Ehegattenunterhalts auswirkt.
Die unterhaltsrechtlichen Folgewirkungen der Bedarfsdeckung hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Dr. 16/1830, S. 28 ff.) erkannt und beabsichtigt. Danach erstrebt er durch die Regelung eine Harmonisierung der unterhalts- und sozialrechtlichen Wirkungen des Kindergeldes; dieses wird im Sozialrecht nach Maßgabe § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II und des § 82 Abs. 1 S. 2 SGB XII dem minderjährigen Kind als Einkommen zugerechnet. Er sieht es als einen Vorteil der Neuregelung an, dass als Konsequenz der bedarfsdeckenden Wirkung eine höhere Verteilungsmasse für den betreuenden Elternteil im Mangelfall zur Verfügung steht und die Erhöhung des Ehegattenunterhalts zu einer höheren steuerlichen Entlastung aufgrund des Realsplittingvorteils führen kann (vgl., a.a.O., S. 29).
Der Abzug des Kindergeldes vom Bedarf des Kindes in Abänderung der vormals bestehenden Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB sowohl beim minderjährigen als auch beim volljährigen Kind führt zu der vom Gesetzgeber ebenfalls durch die Neuregelung angestrebten Vereinfachung der Rechtsanwendung.
Die Gleichstellung von Kindergeld und Erwerbseinkommen im Rahmen der Bedarfsdeckung vermeidet Folgeprobleme bei der Behandlung steuerlicher Freibeträge (vgl. hierzu Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, Rz. 341), bei der Frage, ob zwischen Bedarfsbestimmung und Leistungsfähigkeit zu unterscheiden ist und wie das Einkommen des Pflichtigen zur Feststellung der Einhaltung des Bedarfskontrollbetrages nach der Düsseldorfer Tabelle zu berechnen ist.
Es ist zudem für den rechtsuchenden Bürger ohne weiteres verständlich und einfach nachvollziehbar, dass sich sein für den Ehegattenunterhalt einzusetzendes Einkommen nach Abzug des tatsächlich an das Kind zu leistenden Zahlbetrages bestimmt. Denn diese Verfahrensweise spiegelt nur das wider, was in einem funktionierenden Familienverband gelebt wird; au...