Leitsatz (amtlich)
Aus der Unanwendbarkeit des § 477 BGB beim Verbrauchsgüterkauf folgt nicht ohne weiteres, dass der Verkäufer einer Gattungsware bei deren Verlust auf dem Transportwege erneut zur Leistung verpflichtet ist.
Normenkette
BGB § 474 Abs. 2, § 447 Abs. 1, § 275 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 22.06.2010) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.6.2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien schlossen via Internet einen Kaufvertrag, dessen Gegenstand von der Beklagten zu liefernde Gold- und Silbermünzen sind. Vereinbarungsgemäß sollte die Beklagte dem Kläger die Münzen schicken. Mit der Behauptung, nur die Silbermünzen, nicht aber die Goldmünzen seien in dem im von der Beklagen zugesandten Paket gewesen, hat der Kläger die Beklagte auf Lieferung der Goldmünzen in Anspruch genommen.
Das LG hat seiner Klage statt gegeben. Die Beklagte schulde, was die Goldmünzen angehe, dem Kläger weiterhin Erfüllung. Wegen der dem zugrunde liegenden Feststellungen, wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe und wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG verwiesen.
Gegen das Urteil des LG richtet sich die Berufung der Beklagten, die im Wesentlichen mit Rechtsausführungen die Auffassung vertritt, der Kläger könne Lieferung von Goldmünzen nicht mehr verlangen.
Die Beklagte beantragt, wie erkannt.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Ergänzend ist anzumerken, dass beide Parteien nach dem Ergebnis ihrer Anhörung durch den Senat davon ausgehen, dass die Goldmünzen entsprechend den Feststellungen des LG auf dem Versandweg in Verlust geraten sind. So hat der Kläger, persönlich gehört, erklärt, er gehe davon aus, dass die Goldmünzen auf dem Weg von der Beklagten zu ihm abhanden gekommen seien. So hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärt, es sei davon auszugehen, dass die Sendung auf dem Versandweg entleert worden sei.
II. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung, die vom Kläger gekauften Goldmünzen zu liefern, frei geworden.
1. Nach § 275 I BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit sie für den Schuldner unmöglich ist. So liegt die Sache hier, weil die Goldmünzen auf dem Transportweg von einem unbekannten Dritten gestohlen wurden.
a. Nach § 243 I BGB beschränkt sich das Schuldverhältnis bei Gattungsschulden - um eine solche geht es bei den zu liefernden Goldmünzen -, wenn der Schuldner zur Leistung einer solchen Sache das seinerseits Erforderliche getan hat, auf diese Sache ("Konkretisierung"). Die Beklagte hat, weil es sich, was die Lieferung der Goldmünzen angeht, um eine Schickschuld handelt (1.), mit der Übergabe an die Transportperson das ihrerseits zur Leistung Erforderliche getan (2.).
(1.) Gegen die Feststellung des LG, eine Bringschuld (Empfangsort = Erüllungsort) sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden, erinnert der Kläger nichts. Seine in erster Instanz vertretene Auffassung, es handele sich (auch ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung) um eine Bringschuld - bei der Konkretisierung erst mit einem Übergabeangebot an der Haustür des Klägers eingetreten wäre - trifft nicht zu. Insoweit kann auf BGH NJW 2203, 3341 verwiesen werden: Leistungsort ist nach der Vermutung des § 269 I BGB in Verbindung mit Absatz II der Vorschrift der Ort, an dem der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung hat. Das ist hier die Niederlassung der Beklagten in H2. Dass es im Versandhandel typische Aufgabe des Verkäufers ist, die Versendung der Kaufsache - auf eigene oder fremde Kosten - zu veranlassen, begründet für sich allein nicht die Annahme, der Empfangsort solle auch der Leistungsort für die Lieferverpflichtung des Verkäufers sein, § 269 III BGB.
(2.) Soweit der Kläger möglicherweise meint, die Beklagte habe mit der Übergabe an die Transportperson deshalb nicht das ihrerseits für die Leistung Erforderliche im Sinne der Vorschrift des § 243 I BGB getan, weil es nach seiner Behauptung zur fraglichen Zeit mehrere Fälle mit entsprechenden Problemen gegeben habe und der Beklagten daher bekannt gewesen sei, dass ihre Versandwege und die Art und Weise der Verpackung unzureichend gewesen seien, trifft das nicht zu. Das zur Leistung Erforderliche hat die Beklagte getan, indem sie das Paket mit den Goldmünzen am Leistungsort auf den Weg gebracht hat. Falls der Weg, wie der Kläger behauptet, erkennbar unsicher gewesen sein sollte, betrifft das nicht die Frage, ob die Beklagte das zur Leistung ihrerseits Erforderliche im Sinne des Bewirkens der Leistungshandlung getan hat, sondern die Frage, ob die Bekl...