Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbrauch eines Behandlungsverhältnisses. Einverständnis

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Missbrauch i.S.v. § 174c StGB kann auch vorliegen, wenn das Opfer mit dem Sexualkontakt einverstanden ist. Es versteht sich in den meisten Fällen von selbst, dass ein Arzt, der sexuelle Handlungen an einer Patientin oder einem Patienten im Rahmen eines Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsverhältnisses vornimmt, dieses besondere Verhältnis missbraucht, etwa wenn er vorgibt, die sexuelle Handlung sei medizinisch notwendig.

 

Normenkette

StGB § 174c

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 16 Ns 4/19)

 

Tenor

Die Revision wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Warendorf hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten - unter Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen das Urteil haben Angeklagter, Nebenklägerin und Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Das Landgericht hat auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin mit dem angefochtenen Urteil das amtsgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird. Die von dem Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht verworfen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte als "Heiler" im Bereich von "energetischen Behandlungen" tätig. Im Zeitraum von Februar bis Mai 2014 behandelte er die Nebenklägerin, welche an Unterleibsschmerzen litt und die Angst hatte, an Krebs erkrankt zu sein. Es kam jeweils zunächst zu Hypnosebehandlungen. Im Anschluss an diese erklärte der Angeklagte der Nebenklägerin dann, dass sie völlig entspannt sein müsse, damit er eine Zyste aus der Gebärmutter ziehen könne. Er legte dabei die Hand auf den Unterleib der Nebenklägerin, welche weisungsgemäß die Hose ein Stück herunterzog. Sodann glitt er bei mindestens fünf Behandlungen nach der Hypnosebehandlung mit seinem Finger in die Scheide der Nebenklägerin und leckte an dieser. Der Nebenklägerin erklärte er auf Nachfrage, dass dies Teil der Therapie sei, da sie komplett entspannt sein müsse. In einem Fall leckte er auch an ihrer Brust.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er greift das Urteil insgesamt an und rügt die Verletzung materiellen Rechts sowie die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zurückzuverweisen und die Revision im Übrigen als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Die Vertreterin der Nebenklägerin hat beantragt, die Revision zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg und war zu verwerfen.

Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes:

1. Verfahrensrüge: Der Angeklagte rügt die rechtsfehlerhafte Ablehnung seines auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bzgl. der Nebenklägerin gerichteten Beweisantrags mit der Begründung eigener Sachkunde des Gerichts (§ 244 Abs. 4 StPO). Die beantragte Beweiserhebung sollte ergeben, dass die Nebenklägerin wegen der angespannten familiären Situation, in der sie im Tatzeitraum lebte, an einer psychische Beeinträchtigung bzw. Belastungsstörung gelitten habe, welche zur Beeinträchtigung der Wahrnehmung geführt habe, wobei auf Abweichungen in den verschiedenen Aussagen der Nebenklägerin verwiesen wurde. Die Revision führt aus, dass zwar bei erwachsenen Zeugen die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens nur ausnahmsweise dann in Betracht komme, wenn besondere Umstände vorlägen. Solche seien aber hier auch wegen der Widersprüche zwischen den Angaben der Nebenklägerin vor dem Amtsgericht und vor dem Landgericht gegeben.

Diese Rüge ist jedenfalls aus den Gründen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat, dass soweit die Auswirkungen einer vorangegangenen Hypnosebehandlung die Wahrnehmungsfähigkeit der Nebenklägerin beeinträchtigt haben könnten, diese Problematik nicht von der Angriffsrichtung der Verfahrensrüge erfasst ist. Die Angriffsrichtung bestimmt aber den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts (BGH, Beschluss vom 11. April 2018 - 5 StR 90/18 - juris m.w.N.).

2. Sachrüge:

a) Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält rechtlicher Prüfung Stand. Aus den Urteilsgründen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Nebenklägerin aufgrund der vor den sexuellen Übergriffen stattgefundenen Hypnosebehandlung in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen wäre. Insoweit bestand für das Landgericht auch keine Veranlassung, dies zu erörtern.

Die Beweiswürdigung ist auch nicht lückenhaft, was die Anzahl der abgeurteilten Taten angeht. Anders...

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