Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 23.06.1994; Aktenzeichen 2 O 522/93) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 23. Juni 1994 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den Wert des hälftigen Miteigentums des Erblassers an dem im Grundbuch von … Blatt … eingetragenen Grundstück, Flur …, Flurstück …, Gemarkung … zum 15.09.1975 und zum 05.10.1990 durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ermitteln zu lassen und das Gutachten der Klägerin vorzulegen.
Die weiteren Anträge zu Ziffer, 1) der Stufenklage bleiben abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil des Landgerichts vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Beklagte um weniger als 60.000,00 DM.
Gründe
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen).
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Ermittlung des Werts des im Grundbuch von …, Blatt …, eingetragenen Grundbesitzes. Die Beklagte ist als Vorerbin gemäß §§ 2338 a, 2303 Abs. 1 Satz 1, 1931 Abs. 4, 1934 a, 2325 Abs. 1 und 2 BGB gegenüber der Klägerin als nichtehelichem Abkömmling des Erblassers hinsichtlich des verschenkten Grundbesitzes zur Ergänzung des Pflichtteils verpflichtet.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht deswegen ausgeschlossen, weil es sich um eine Anstandsschenkung im Sinne von § 2330 BGB handelt.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nur dann erfüllt, wenn die Schenkung in einer solchen Weise sittlich geboten ist, daß umgekehrt das Unterlassen der Schenkung dem Erblasser als Verletzung einer ihm obliegenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre; der Anstand muß es gebieten, gerade so zu handeln und nicht anders (BGH NJW 1984, 2939 ff.).
Es ist bereits zweifelhaft, ob nach den hier vorliegenden Umständen überhaupt anzunehmen ist, daß die Schenkung auch nur eines Teils des hälftigen Miteigentumsanteils einer sittlichen Pflicht entsprach. Dies kann jedoch für die vorliegende Entscheidung letztlich dahingestellt bleiben. Selbst wenn man dem Vorbringen der Beklagten folgt, daß ihre Eltern die Mittel zum Erwerb des Hausgrundstücks in vollem Umfang zur Verfügung gestellt hatten, würde es sich um eine übermäßige Schenkung handeln, die für den das gebotene Maß übersteigenden Teil Ergänzungspflicht in wäre (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2330 Rdn. 1).
Die Beklagte und der Erblasser haben das Hausgrundstück im Jahre 1957 zu einem Kaufpreis von ca. 55.000,00 DM erworben. Angesichts der Entwicklung der Grundstückspreise ist davon auszugehen, daß zum Zeitpunkt des Vollzugs der Schenkung im Jahre 1975 ein erheblicher Wertzuwachs eingetreten war und daß dieser auch auf dem Einsatz des Erblassers bei der Durchführung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Zumindest an diesem Mehrwert ist die Klägerin im Wege der Pflichtteilsergänzung zu beteiligen. Berücksichtigt man den Zeitabstand zwischen dem Erwerb des Hauses und der Schenkung, die im Jahre 1974 erfolgte Schenkung von Bankguthaben an die Beklagte sowie die testamentarischen Anordnungen des Erblassers zu deren Gunsten und zugunsten der ehelichen Tochter, ist jedenfalls hinsichtlich des Mehrwerts eine sittliche Pflicht des Erblassers anzunehmen, das Pflichtteilsrecht der Klägerin, seiner nichtehelichen Tochter, nicht vollständig auszuhöhlen.
Hiernach sind die Voraussetzungen eines Wertermittlungsanspruchs erfüllt, denn die Klägerin kann den sich aus dem Mehrwert ergebenden Pflichtteilsergänzungsanspruch nur bei Kenntnis des Grundstückswerts zum Zeitpunkt der Schenkung bzw. zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB) errechnen.
Die Kostenentscheidung war dem Schlußurteil vorzubehalten. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Dingerdissen, Schenkel, Lülling
Fundstellen