Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer von der Bienenhaltung auf einem anderen Grundstück ausgehenden Beeinträchtigung auf ein Grundstück handelt es sich um eine den in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgezählten Einwirkungen ähnliche, von einem Grundstück ausgehende Einwirkung, die unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen zu dulden ist (Anschluss an BGH, NJW 1992, 1389; OLG Bamberg, NJW-RR 1992, 406).

2. Bei der Bewertung, ob eine durch Bienenhaltung auf dem Nachbargrundstück ausgehende Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB wesentlich ist oder nicht, ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen sowie darauf, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist. Nicht entscheidend ist danach eine besondere individuelle Empfindsamkeit des betroffenen Grundstückseigentümers; ebenfalls nicht entscheidend ist das Empfinden eines Hobby-Imkers, dem die unmittelbare Nähe von Bienen in erheblicher Anzahl nichts ausmacht. Zu berücksichtigen sind aber die örtlichen Begebenheiten, insbesondere der Gebietscharakter der Grundstücke, sowie schützenswerte öffentliche und private Gegeninteressen. Dabei ist beachtlich, dass die Bienenhaltung im Allgemeinen aus Naturschutzgründen wünschenswert und wegen der von Bienen erbrachten Bestäubungsleistung für die Agrarwirtschaft notwendig ist.

3. Von einem verständigen Durchschnittsmenschen ist Bienenflug als natürlicher Vorgang in zumutbarem Umfang auf dem eigenen Grundstück und auf der eigenen Loggia zu dulden, auch wenn es gelegentlich zu Bienenstichen oder zu Aufenthalten von Bienen in der Wohnung kommen mag. Kommt es indes zu einer auch für einen durchschnittlichen, besonnen abwägenden Menschen in deutlicher Weise unangenehmen und störenden Beeinträchtigung, ist die Bienenhaltung nicht gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB zu dulden.

4. Eine Bienenhaltung in nicht mehr zumutbarem Umfang liegt jedenfalls dann vor, wenn auf einer in unmittelbarer Nähe zur Nachbarloggia gelegenen Loggia sechs Bienenbeuten gehalten werden, die zu einem erheblichen, die natürlichen Verhältnisse deutlich übersteigenden Bienenflug auf dem betroffenen Grundstück und der betroffenen Loggia führen.

5. Bienenhaltung ist im Allgemeinen bundesweit gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB ortsüblich. Eine andere Bewertung kann sich aber aus der konkreten Art und Weise der Bienenhaltung - hier: in erheblichem Umfang auf einer Loggia - ergeben.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 08 O 76/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.07.2019 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Der Senat lässt eine Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Hinblick auf die getroffene Einzelfallentscheidung nicht vorliegen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR nicht übersteigt.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Klage ist zwar, insbesondere im Anbetracht der erfolgten Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1a JustG NRW und soweit das Landgericht ein Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO bejaht hat, zulässig.

2. Sie ist aber, auch in der zuletzt vor dem Senat beantragten Fassung, unbegründet.

a) Die Parteien wohnen in der T- Straße in W in praktisch baugleichen, unmittelbar aneinander gebauten Häusern (Nr. 27 und Nr. 29). Beide Häuser weisen nach Osten gerichtete, baugleiche Loggien im ersten Obergeschoss von jeweils etwa acht Metern Breite unter Satteldächern auf, die ebenfalls unmittelbar aneinandergrenzen und deren Dächer somit ein umgekehrtes W bilden. Auf der südlichen Seite vor der Loggia des Klägers, die auf einer Dachseite ein Schrägfenster aufweist, befindet sich ein Walnussbaum, der den ohnehin dunkel gelegenen Innenraum der Loggia noch weiter beschattet. Auf der südlichen Seite der Loggia der Beklagten, praktisch auf der Grenzlinie der beiden Loggien, steht eine Kiwi-Pflanze. An der Rückwand der Loggien befinden sich Fenster und Balkontüren, die unmittelbar in den Wohn- und Schlafbereich der jeweiligen Häuser führen. Der Kläger betreibt von seiner Loggia aus eine Hobby-Imkerei mit sechs Bienenbeuten, die er parallel zur Mittellinie der Loggia jeweils zu dritt auf den Seiten des Loggia-Innenraums aufgestellt hat.

b) Dem Kläger stehen der geltend gemachte Anspruch auf Duldung der Haltung von bis zu acht Bienenvölkern (hilfsweise sieben, weiter hilfsweise sechs) bzw. auf Feststellung seiner Berechtigung dazu in der Loggia seines ...

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